Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 5. Juni 1940

5. Juni 1940

Liebste Elsbeth!

Unsere Schreibstube ist noch nicht gekommen und nun benutze ich die freie Zeit, mich wieder mal mit Dir zu unterhalten.

Eine einzige Frau im Alter von etwa 50 Jahren ist noch hier geblieben. Sie erzählte, daß die Schwarzen (also die eigenen Truppen) ganz gräßlich gewütet hätten, sodaß sie nachher von den Franzosen selbst herausgeschmissen worden seien.

Es ist aber auch zu schlimm, wie es in den Häusern aussieht. Teuerste Radioapparate liegen auf dem Fußboden zwischen dem umherliegenden Inhalt sämtlicher Kommoden- und Schrank­schubladen. Feines Porzellan und Glaszeug kaputt. Und dabei sind manche Wohnungen hier, die man in Bezug auf alte Möbel und Einrichtung in ein Museum setzen könnte. Wunderbare Teppiche sind zerrissen. Sogar kamen wir durch ein Dorf, wo die Matratze im Bett aufgerissen war.

Beiliegend 2 Filme. Von dem einen hast Du ja das Bildchen bekommen, von dem anderen noch nicht. Das, was ich habe, möchte ich behalten, habe auch keine Gelegenheit, hier Abzüge machen zu lassen. Du kannst ja für Dich und die Eltern bei Dürens welche machen lassen. Was sagst Du zu dem Bildchen: „Hannes feldmarschmäßig"? Ich finde, daß es ganz nett geworden ist. Hoffentlich kommen sie nur an. Schreib mir bitte, wenn Du es bekommen hast.

Und dann, tue mir bitte einen Gefallen. Schicke mir ab und

zu mit Doppelbrief ein paar Zigaretten. Hier gibts ja gar nichts und man verlangt dann erst so recht nach etwas blauem Dunst.

So, liebe Elsbeth, was sagst Du zu meinem Brieftempo? In drei Tagen hintereinander je einen Brief. Hoffentlich kommt nur bald Dein erster Brief hier an. (Diese Nacht habe ich wieder im Bett geschlafen.)

Und nun, liebe Elsbeth, drücke ich Dich wieder ganz fest an mich. Dorotheechen gebe ich ein knallendes Küßchen und Dir noch extra einen dazu.

Ich bin immer Dein

Hannes