Hannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 28. Januar 1944

28. Januar 1944

Meine liebe, liebe Elsbeth!

Heute morgen habe ich zum ersten Mal einen längeren Gang gemacht. Er ist mir fabelhaft bekommen. Bis etwas über 2000 m bin ich mit einem Kameraden geklettert. Erst ging es über verschneite Almen immer höher und dann in einen hohen Tannenwald. Als wir dadurch waren, standen wir am Fuße der Felsen. Von hier hatten wir einen ganz wunderbaren Blick auf das Tal, die gegenüberliegende Gebirgsgruppe, auf die zu Füßen liegenden Almen und Matten. Gern wäre ich von hier aus in die Felsen gestiegen. Aber zu Mittag müssen wir, wenn wir uns nicht für eine Bergtour abgemeldet haben, wieder zurück. Aber ich habe ja noch 2 Wochen vor mir. Die Sonne scheint heute so warm, daß man in diesen Höhen schon ohne Rock gehen könnte.

Heute morgen bin ich schon früh aufgestanden, habe ein Bad genommen. Es ist angenehm, das Badezimmer direkt neben dem Schlafzimmer, alles geheizt. Man braucht nur den Hahn aufzudrehen, legt sich wieder 5 Minuten ins Bett, steht wieder auf und steigt ins gefüllte Bad. Anschließend Rasieren und Zähneputzen, sich anziehen und zum Kaffeetrinken gehen. Bei mir stellt sich, nachdem der Magen wieder besser wird, der alte, unheimliche Appetit ein. Gestern abend habe ich einen Teller Suppe, 2 Karpfen mit Bratkartoffeln und als Nachtisch einen zwei in Zucker gebackene Äpfel verdrückt. Heute morgen waren es 4 Schnitten Brot mit Butter und Marmelade, dazu Kaffee mit Milch und Zucker. Gestern morgen war ich allerdings nochmal beim Arzt, weil es wieder mal nicht wollte. Meine Pillen sind aber immer noch nicht da. Ich wäre aber beinahe zum erstenmal seit meiner Krankheit behandelt worden. Ich sage aber „beinahe“. Es sollte eine Magenausspülung gemacht werden. Der Arzt nahm aus einer Kiste einen Schlauch,

der für solche Zwecke bestimmt ist. Leider war er aber zu kurz. Ein anderer hatte ein Stück Schlauch benötigt und sich ein Stück von diesem Magenschlauch für seine Zwecke „abgeschnitten“! „Nun“, sagte der Arzt, „warten wir auf die Pillen, ich werde sie ,bestellen‘.“ Ich warte nun der Dinge die da kommen sollen, nehme aber an, daß ich, wenn ich die erste Behandlung erfahre, schon so gesund geworden bin.

Vorgestern abend hatten wir wieder Kino: „Wir bitten zum Tanz“ mit Hans Moser und Paul Hörbiger. Heute abend wird uns die eingetroffene Künstlertruppe etwas bieten. Mit dem geplanten Kauf eines Photoapparates gibt es nichts. Der Drogist hat keine bekommen. Vielleicht kann ich mir mal einen leihen.

Und nun, liebe Elsbeth, halte ich Dich ganz fest lieb. Ich küsse Dich innig auf Deinen

lieben, guten Mund und bin immer
Dein Hannes.

Die Bilder von Florenz haben die Entlausung einigermaßen überstanden. Sie liegen bei.