Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 1. August 1943

1. August 1943

Meine liebe, liebe Elsbeth!

Vorerst recht herzlichen Dank für Deine beiden Briefe vom 21. und 25. Juli. Also, Albrecht hat die Filme zurückgeschickt. Hat er nichts dazu geschrieben? Ich hatte ihn nochmal vor Kurzem dringend um die Rücksendung gebeten. Du hast also eine Eroberung gemacht. Wahrscheinlich wirst Du mit den Augen wieder so gekullert haben wie früher mit mir. Ja, ja, die Soldatenfrauen!!! Aber, ich freue mich trotzdem, ein so „rassiges Weib“ mein Eigen nennen zu können. Mach‘ mir nur keine dummen Geschichten, Du Liebes, Gutes Du.

Bilder hatte ich damals, alle an einem Tag, geschickt an: Dich, Vater, Anna, Hubert und an Dorotheechen etwas später. Außerdem habe ich ein weiteres Bild, in kurzer Wichs oder sogar zweie, ja zweie, vor etwa 8 Tagen an Dich geschickt. Hast Du das bekommen? Scheints geht

viel Post verloren, oder kommt später einmal an. Ich kann mich nur ärgern, man schreibt und schreibt und denkt, daß man Frauchen manches Interessante mitteilen kann und nun kommen die Briefe nicht an. Außerdem weiß man garnicht, welche Briefe nicht ankommen, sonst könnte man Verschiedenes wiederholen. Die letzten Tage, ach, eigentlich immer jetzt, ist es, besonders Mittags, sooo heiß. Sitzt man nackt am Tisch, kann mans vor Fliegen nicht aushalten, legt man sich unters Moskitonetz, hat man vor den Fliegen Ruhe, aber man liegt

noch keine 10 Minuten, so ist der Körper, besonders, wo er auf der Decke liegt, glitschig von Schweiß. Aber, ich kann das alles so gut vertragen, daß ich nur staune. Kein Durchfall, kein Fieber, nur schlapp etwas in der Hitze. Unangenehm sind die unzähligen Ameisen, die unter und über einem krabbeln, sobald man liegt. Da schützt kein Netz vor. Morgens juckt es einen dann, wie in Rußland die Läuse. Aber das gehört einfach dazu und man hat sich daran gewöhnt – (– wie an die Läuse in Rußland). Als ich zuerst hier ankam, hatte ich von einer Stunde Sonne einen Sonnenbrand, daß einem der Eiter und das Wasser unter der Haut zusammenlief und heute kann man von morgens bis abends in der brennendsten Sonne mit nacktem Oberkörper u. Beinen herumlaufen, ohne daß es einem was tut. Regen haben wir, seitdem ich von Berlin

fort bin erst zweimal gehabt und da auch nur ein leichter Fieselregen von etwa 2 Stunden Dauer.

Und wie gerne hätten wir mal einen Tag lang wenigstens so einen richtigen deutschen kühlen Landregen. Ja, das kann mein verfrorenes Frauchen nicht verstehen.

Mittags gehen wir jetzt schon mal zum Thermalbad. Es ist eine ganz besonders starke Quelle, die in einem kristallklaren Teich ausbricht. Es ist reines, kohlesäurehaltiges Bergwasser aus den Abruzzen, hat einen Geschmack wie Godesberger Wasser, nur bei weitem nicht so stark. Die Hauptsache ist, daß es kalt ist, schätzungsweise 11°.

Der Teich ist etwa 1,00 – 1,30 tief und man kann eine Stecknadel auf dem Grund erkennen. Wenn wir aus der heißen Sonne in das kalte Wasser gehen, ist das meist ein

Temperaturunterschied von 50°. Du kannst Dir das Gefühl dann in etwa vorstellen.

Aber man wird für eine Stunde lang herrlich frisch.

Übrigens habe ich in Italien noch niemals ein Mädchen oder eine Frau in einem Fluß oder im Meer baden sehen, immer nur Soldaten Männer. In der Beziehung fehlt es an der Freiheit, die bei uns herrscht.

Heute bin ich in einer unserem Lager etwa 15 km entfernten Kaserne O.v.D. bis morgen mittag. Ich sitze auf einem Balkon über dem Wachlokal und habe eine wunderbare Gebirgsgruppe der Abruzzen vor mir. In den Ausläufern, aber schon im Gebirge drin, liegt jetzt unser Zeltlager, dort, wo ein Fluß aus dem Gebirge sich ins flache Land ergießt.

Und nun nehme ich Dich einmal beim Kopf und küsse Dich überall hin, besonders auf Deinen lieben, lieben Mund.

Ich bin immer
Dein Hannes