Elsbeth Ließem an ihren Mann Hannes , 13. September 1944

Mittwoch, 13. September 44

Mein herzliebster Hannes.

Gestern hatte ich wieder mehr Mut Deinethalben; aber als ich heute wieder von den Kämpfen um Warschau in der Zeitung las, ist mir das Herz so schwer geworden. Was wird dann mit Dir???

Und noch immer keine Post! Die letzte vor einer Woche hat mich tief beunruhigt. Wenn doch nur bald bessere Nachricht kommen wollte! Ich bin zu nichts zu gebrauchen und kriege nur das Notwendigste getan. Und dann sitze ich wieder vor Deinem Bild und schaue Dich an, und meine Gedanken sind ganz bei Dir.

Dorotheechen betet viel für „unseren lieben, guten Vati“, und ich meine, Gott muß uns erhören und Dich für uns bald wieder ganz gesund werden lassen.

Auch Dein Vater ist sehr in Sorge. Immer wenn ich zu ihm komme, ist seine erste Frage: Ist neue Nachricht gekommen? – und immer muß ich verneinen.

Bei meinen Eltern ist es genau so. Mutter kommt oft morgens wenn die Post ausgeteilt wurde, hierhin, um zu sehen, ob ich etwas von Dir habe. –

Oft, wenn ich vor Deinem Bild sitze, scheinst Du mir zu sagen: Ich komme ganz bestimmt wieder – und manchmal glaube ich zu hören: Mir geht es sehr schlecht –

So wiegt auch manchmal die Zuversicht und manchmal die Angst in mir über. Wenn ich doch nur ein einziges Mal bei Dir sein könnte, um selbst zu sehen, wie es Dir geht.

Auch andere Gedanken kommen mir: Soll ich hier bleiben, wenn die Engländer bis hierhin vorstoßen sollten und wenn eine Räumung freiwillig ist? Oder soll ich sorgen, daß wir früh genug auf die andere Rheinseite kommen, damit wir nachher nicht im besetzten Gebiete sind und Du drüben? In Aachen usw. war ja Zwangsräumung. Wie furchtbar muß es doch sein, so plötzlich weg zu müssen und alles im Stich zu lassen und nur das Notwendigste in einem Bündel mitnehmen zu können. –

Zum Schluß laß Dich innig und andächtig auf Deinen lieben Mund küssen.

In herzlicher Liebe bin ich immer
Deine Elsbeth.