Hannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 13. September 1939
13. September 1939
Liebe Elsbeth!
Vorerst lasse Dich recht herzlich grüßen und küssen. Ebenfalls Dorotheechen. Mir geht es sehr gut. Es ist mir manchmal, als ob ich auf großer Fahrt wäre. Den ganzen Tag draußen, Wald, Täler, Berge. Gesunde Betätigung usw. Nur Du fehlst hier noch. Wir wohnen in Hütten, die wir selbst gezimmert haben; Tannenholz, Ginster und Stroh. Das Schreiben geht allerdings schlecht. Man muß sich ein altes Brett besorgen, auf den Schoß legen und in der unbequemsten Stellung schreiben.
Lieber Moritz, ich habe Dir direkt am ersten Tag, an dem wir schreiben konnten, geschrieben. Wie andere Post schon früher da sein konnte, weiß ich nicht. Ich habe Dir durch eine Godesberger Frau Grüße bestellen lassen. Besuche dürfen nicht mehr empfangen werden.
Der Kompaniechef hat jetzt beim Apell bekannt gegeben, daß die Besuchsfrauen nicht mehr durchgelassen werden. Es entständen sowohl den Frauen als auch den Soldaten künftig nur Schwierigkeiten.
Daß Dorotheechens Händchen verbrüht war, tut mir leid. Den
Brief, in dem Du mir das geschrieben hast, habe ich nicht bekommen. Hat das Kind denn arg geschrien. Wie geht es denn Dir. Ist es wieder besser geworden? Hast Du noch zugenommen. Tue viel an Deiner Gesundheit.
Nun etwas „Geschäftliches“. Wie ist es mit dem Gehalt. Hat Herr Kamp gesagt, daß Du für 3 od. 4 Monate mein Gehalt bekommst? Bekommst Du auch die Versorgung vom Staat? Schreibe mir mal hierüber, damit ich über Deine Versorgung beruhigt sein kann. Hast Du auch noch einmal etwas von dem Zuschuß für Deine Krank-
heit gehört? Daß Matthes so schön für Dich sorgt, macht mir Spaß. Grüße ihn und Deine und meine Eltern recht herzlich. Sage ihnen, daß ich mich auf die geringste Post beschränken müßte. Die Karten werden ja angekommen sein.
Ich habe jetzt die letzten Tage so oft an unsere Hochzeit gedacht. Jetzt, wo sich der Tag zum dritten Mal wiederholt, wünsche ich, daß uns noch vieles Schöne blüht; daß wir noch lange, lange Jahre in Freud und Not fest zusammenstehen werden und alles Schwere in Freude zwingen werden. Besonders jetzt, wo ich sehe, daß manche Kameraden nicht in
dem Verhältnis zu ihren Frauen stehen, wie es sich gehört, freue ich mich umsomehr darüber, daß unser Verhältnis zueinander fest und ohne Trübung besteht - auch bei einer Trennung - und wenn sie auch auf Jahre hinaus bestünde. Immer verhalte ich mich so, daß Du „Freude an mir hättest.“
(Den eingebildeten Ausdruck mußt Du entschuldigen.)
Die 30 Mark, die ich mitgenommen habe, habe ich noch immer. Mit meiner Löhnung komme ich also aus.
Liebe Elsbeth. Ich muß jetzt Schluß machen, da es gleich wieder zum Antreten pfeifen wird. Dann heißt es fix in den Drillich
hinein, Seitengewehr und Gasmaske um, und zum Apellplatz.
Also, schreibe mir bald wieder, da man jeden Tag, an dem Post verteilt wird, fiebrig auf einen Brief wartet und sich wie ein Waisenkind vorkommt, wenn man zum Schluß nicht dabei war.
Aus Deinem Hannes ist inzwischen ein schneidiger Soldat geworden.
Laß Dich und Dorotheechen herzlich grüßen und küssen
von Eurem
Hannes
Denk' bitte an die Bilder. Auch könntest Du mir mal ein Buch schicken, aber kein teures, denn man weiß nicht, ob es bei der Post verlorengeht. Auch müßte es fest eingepackt werden.
Anschrift: wie immer
Soldat J. L.
Feldpost No. 11593
Feldpostsammelstelle
Frankfurt/M.
Gruß auch an Dr. Fuchs und Frau Schwarz.