Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 21. Oktober 1939

21. Oktober 1939

Liebe Elsbeth!

Recht sehr habe ich mich über Deine letzten Briefe gefreut, besonders darüber, weil sie erkennen lassen, daß Du noch immer guten und frohen Muts bist und auch immer fleißig an mich denkst. Daß ich das auch tue, kannst Du versichert sein. Besonders auf den Schluß Deiner Briefe gehe ich ein. Nur daß das Drücken und Küssen immer nur theoretisch erfolgt, behagt mir nicht ganz. Aber man wird ja sooo bescheiden. Du sprachst von Wirtschaft. Hier ist keine Wirtschaft. Aber Bier trinken können wir trotzdem in der Kantine. Den Bekannten, Du kennst ihn ja auch - Josef Koch, den wir mal in Oberkassel mit seiner Frau getroffen haben - habe ich s. Zt. auf meiner Urlaubsfahrt unterwegs bei einer Pause in Bitburg getroffen.

Übrigens, gestern war mir ganz komisch, die Tür zur Schreibstube geht auf, ein fremder Soldat steht in der Tür mit einem Schnurrbärtchen und fragt: „Heil Hitler, kann ich Soldat Ließem sprechen?" Nanu denke ich, drehe mich um und entdecke unter dem Schnurrbärtchen den Künzel Kobes. Du kannst Dir meine Freude vor­stellen. Ich bin / Stunde mit ihm zusammen spazieren gegangen und [habe] ihm viele Grüße an Dich aufgetragen. Er kommt ja schon öfter nach Hause.

Ich schlafe jetzt ganz prima auf Schreibstube auf einer Chaiselongue. Ich glaube, daß ich bei den Soldaten noch ganz verweichlicht werde. Aber angenehm ist's doch. Gerade kommt ein Päckchen von Dir. Ich will es eben aufmachen und schauen, was drin ist. . . .

Au Backe, neue Fußlappen, Zigaretten und Nußecken. — Und, vor allen Dingen, Zeilen von Dir. Die Nußecken sind verzehrt, eine Zigarette steckt mir schon im Schnabel, Brief ist gelesen, sodaß ich ganz wieder mit der Heimat verbunden

bin. Außerdem gibts jetzt regelmäßigen drei­tägigen Urlaub, sodaß Aussicht besteht, daß ich in einigen Wochen wieder mal mein Frauchen und das leckere Dorotheechen in die Arme schließen kann. Ich freue mich jetzt schon darauf. Du mußt nur nicht ungeduldig werden, denn es sollen zuerst Kriegsteilnehmer, Leute die strengen Außendienst haben usw. berücksichtigt werden. Vielleicht gelingt es mir, mal zwischendurch mitzukommen. Ich tue mein Möglichstes, also werde nicht ungeduldig.

Du fragst wegen Zigaretten. In Anbetracht dessen, was mit der Firma los ist, muß ich Dir sagen, spare jeden Pfennig für Dich. So lieb mir ein Päckchen aus der Heimat ist, aber ich meine, Du sollst das Geld lieber für Dich behalten. Schreibe mir doch mal ganz klar, was Du im Monat vom Staat bekommst.

Der Film mit Zarah Leander und Heinrich George muß doch sicher schön gewesen sein. Hat die Leander auch wieder so schön gesungen wie damals in „Heimat"? Ich möchte auch nochmal gern sowas sehen oder hören; aber

in einem sogenannten „Dorf" mit 2 Bauernhäusern (weißt Du, so ähnlich wie in Müftauelsberg, nur, daß hier die Landstraße vorbeigeht) wird noch kein „Opernhaus" gebaut.

Aufs Dorotheechen mußt Du achtgeben, wenn sie schon so früh anfängt, den Soldaten nach­zulaufen, werden wir später mal große Last haben.

Übrigens hat es mich gefreut, daß Du Hubert was geschickt hast. Der wird sich mächtig freuen.

Also, mein Liebling, mein Schatzkästchen, mein Frauchen und mein liebster Moritz, ich sage Dir eine gute, gute Nacht, küsse Dich recht viel tausendmal und drücke Dich im Geiste ganz feste an mich.

Ich bleibe immer Dein geliebtes

Männchen.

Grüße die Eltern, Geschwister, auch Fuchs und Schwarz.

Ein Freund aus der katholischen Jugendgruppe
Der älteste Bruder von Johannes Ließem