Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 10. November 1939

10.11.1939

Liebe Elsbeth!

Recht herzliche Grüße und Küsse für Dich und Dorotheechen. Ja, da stehe ich nun das Erste Mal und weiß nicht, was ich schreiben soll. Bis jetzt war ich noch niemals um Ideen verlegen. Aber ich glaube, daß dies wohl mein Godesberger Aufenthalt macht. Wir haben uns zu Hause ja soooo gründlich „mündlich" ausgesprochen.

Gerade kommt unser Abendessen. Klatschkäse gibt's heute Abend.

— Au, es hat fein geschmeckt. Er war mit Zwiebel angemacht.

Heute war ich mit unserem Hauptmann zur vorgesetzten Dienststelle Geld holen. Er hat mich mitgenommen und ich brauchte daher den Weg in dem blöden Wetter nicht mit dem Fahrrad zu machen. Aber das nächste Mal will ich lieber mit dem Fahrrad fahren. Einmal sind wir in den Graben in die Brombeersträucher gefahren. 6 Mann haben den Opel wieder auf die Straße gehoben. Na, dann saßen wir wieder drin. Nach 500 Metern fuhren wir auf einer geraden Straße — unten eine Kurve. Kurve wird nicht genommen, sondern wir fahren gerade durch, ein Satz die Böschung herunter, ich sah „einen Baum auf mich zukommen", ein Knall und peng, saßen wir am Baum. Ich wollte schon sagen, daß ich jetzt lieber zu Fuß gehen möchte. Aber das kam ja natürlich nicht infrage. Ein „dritter" Unfall hat sich aber Gottseidank nicht ereignet. Das Auto ist vorn natürlich eingedrückt, aber uns ist nichts passiert.

Morgen fahre ich wieder Löhnung. „Aufregende Sache mit Ruhe gemeistert." Immerhin sind in einer halben bis

dreiviertel Stunde 400 Mann zu löhnen. Da muß man höllisch aufpassen, daß man nichts dazu tun muß. Langsam kommt nun Dein Namenstag. Den werden wir ja nun zum erstenmal nicht zusammen feiern. Hoffentlich ist das Armband bis dahin fertig und hoffentlich ist es schön geworden.

Gestern habe ich zum ersten Mal mit einer 8 mm Pistole geschossen. Wir hatten ein Blatt Papier an einen Baum geheftet und dann wurde losgeballert. Ich habe immer getroffen.

Der Wald ist jetzt ganz wunderbar. In allen Farben schillert er. Wenn morgens die Sonne auf­geht, kann man sich an den Farben, die mit dem roten Frühlicht übergossen werden, nicht satt sehen. Dazu ist der Horizont blutrot. Nur schade, daß es nach einer Stunde schon wieder zu regnen anfängt.

Gerade kommt der Kammer-Uffz., weißt Du, der zünftige, und bringt mir das anliegende Bildchen. Wir sehen ja nun gar nicht zünftig aus, besonders ich, der ich die Beine so originell stehen habe, als ob es Xbeine wären. Aber du brauchst mich ja nicht anzusehen.

Liebe Elsbeth, denk an Dein Versprechen, zum Arzt zu gehen.

Mir wäre es am liebsten, Du gingest zur Klinik. Du könntest ja einige Tage dort bleiben zur Beobachtung. Es ist ja nicht so, als ob du dann dauernd dort im Bette liegen müßtest, Du kannst ja dabei auch ausgehen. Aber etwas mußt Du unbedingt tun, sonst habe ich hier keine Ruhe. Und das willst Du ja nicht, lieber Moritz.

Zum Schluß will ich Dich nochmals ganz feste in meine Arme schließen und dir einen langen Kuß geben

Dein Hannes.