Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 30. November 1939
30. November 1939
Liebe Elsbeth!
Recht herzlichen Gruß und Dank für das leckere Paketchen. Weißt Du auch, daß der selbstgebackene Kuchen viel besser geschmeckt hat, als der damals gekaufte? Das ist bestimmt nicht geschmeichelt, sondern reine Tatsache. Man merkte gleich, daß Du in Bezug auf Zutaten eine „flottere" Hand hattest als der Bäcker. Meine Kameraden haben natürlich auch wieder mitgegessen und es hat ihnen gut geschmeckt.
Ja, nun habe ich Feuersteine und Docht, aber kein Feuerzeug mehr.
Übrigens: Gestern ist ein Soldat unserer Kompanie abgeurteilt worden. Er hat sich unerlaubt von der Truppe entfernt und ist nach Hause gefahren. Stell Dir vor, 1 V Jahre hat er bekommen. Nun haben wir noch 2 Soldaten sitzen, die ebenfalls aus dem gleichen Grund auf ihr Urteil warten. Allerhand, nicht wahr?
Hat das mit Leni nun endgültig geklappt? Und warst Du beim Arzt? Du schreibst überhaupt nicht davon. Sieh mal, wo ich jetzt so schön oft schreibe, möchte ich Dich nochmals um den Gefallen bitten.
Gestern habe ich einen netten Abend mit dem Bruder von Frau Pfletschinger verlebt. Er ist ein prächtiger Mensch, der Kamerad Kessel. Es ist komisch, wenn man überlegt, daß man einen Menschen direkt mit „Du" anspricht, wo man es im Zivilleben einfach nicht über die Zunge brächte. Er ist bei der mot. Kolonne bei Leutnant Classen (weißt Du, der Musikdirektor von Bonn). Ltnt. Classen kam auch mal. Ich habe mein Männchen aufgebaut, aber er sagte bitteschön sitzenbleiben. Dann hat er mich nach dem Namen gefragt usw. Er scheint ein guter Kerl zu sein und ist bei der mot. sehr gut gelitten. Die Soldaten wollen sammeln und ihm zu Weihnachten einen Klavierstuhl schenken. Er soll einen wunderbaren Flügel haben, aber keinen Klavierstuhl. (Musikdirektor ohne Klavierstuhl.) Vielleicht sagst Du Frau Pfletschinger, daß ich bei ihrem Bruder gewesen bin, und daß es sehr nett gewesen sei.
Nun, liebes Moritzchen, will ich Dich nochmals aus ganzem Herzen grüßen und Dich wieder fest an mich drücken. Auch Dorotheechen soll etwas davon mitbekommen. Es soll dafür aber auch weiter so viel an „Vati" denken, wie bisher. Aber dafür wird mein liebes Frauchen ja sorgen.
Alles Gute und Schöne Dir wünschend
bin ich Dein Hannes