Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 3. Januar 1940
3. Januar 1940
Liebe Elsbeth!
Nochmals in diesem Jahr recht herzliche Grüße und Wünsche. Seit dem letzten Brief hat sich nichts besonderes ereignet. Das heißt, wenn man das als Ereignis verzeichnen kann, daß ich zum ersten Mal in meinem Leben mit dem Karabiner geschossen habe. Fürs erste Mal auch ganz gut.
Heute war ich beim Bataillon (mittlerweile ist es der 4. Januar geworden). Aus dem Fenster hatte man eine wunderbare Sicht über eine viele Kilometer breite und lange Talmulde. Alles war weiß verschneit.
Jetzt warte ich noch immer auf die erste Post von Dir. Ich bin doch schon 8 Tage hier und habe immer noch nichts. Aber es geht wahrscheinlich noch alles langsam durch die Feiertage.
Wie hast Du denn das neue Jahr angefangen? Dorotheechen wird doch sicher wieder in Ordnung sein?
Ich merke, aus meinem Brief wird heute nichts besonderes. Mit einem Wort gesagt: Ich han höck de Kääl. Ich möchte am liebsten weit weg von hier sein und weißt Du auch wo? Da ist doch in einem kleinen Städtchen am Rhein in einer netten Kleinwohnung eine „Kriegerfrau" mit ihrem Töchterchen und wartet auf das Ende des Krieges. Es ist eine nette Wohnung.
Die Leute haben auch gerade einen neuen Krug, einen Läufer und ein neues schönes Geschirrschränkchen bekommen. Und inmitten dieser Herrlichkeiten das herrlichste der Frauchen mit dem leckersten aller Dorotheechen. Und ich . . . . Na, - Erdhütte, hurra!
Lieber Moritz, laß Dich zum Schluß noch einmal herzlich grüßen, küssen, umarmen und feste an mich drücken. Ich bleibe immer Dein
getreuer Hannes