Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 9. Januar 1940
9. Januar 1940
Liebe Elsbeth!
Nun habe ich auch Deine Briefe vom 2. und 3. Januar und Dein leckeres Nachweihnachtspäckchen. Herzlichen Dank dafür. Vom Dezember habe ich aber noch keinen Brief bekommen. Auch der Pullover, von dem Du schriebst, ist noch nicht angekommen. Aber das wird ja noch alles eintrudeln.
Du fragst in Deinem letzten Brief, wie unsere Unterkünfte seien. Inzwischen wirst Du ja meinen „aufklärenden" Brief bekommen haben. Die Erdhütten sind tatsächlich besser, als die Baracken in unserem alten Lager. Aber zu Hause ist es doch noch viel schöner. Man muß immer nur zufrieden sein, daß wir nicht, wie die Späh- und Vortrupps nur draußen im Gelände zu liegen brauchen. Ich schlafe wieder in der Schreibstube auf Drahtpritsche mit Stroh und Decken.
Was das Einsame anbetrifft: Hier ist noch nicht mal ein Bauernhaus. Wir liegen in einem Hohlweg.
Das Liedchen von „Vati", der „ganz allein im tiefen Wald haust mit langem Bart und Haar und durch den Schnee stapft um den Tieren zu fressen zu geben" hat mir sehr gut gefallen. Es ist so schön romantisch. Nur schade, daß es den Tatsachen nicht entspricht. Hoffentlich
kennt Dorotheechen mich noch, wenn ich nochmal das Glück haben sollte, in Urlaub zu kommen. Denn diese Rübezahlfigur ist ziemlich gepflegt und täglich frisch rasiert. O, ja, liebes Frauchen, das habe ich immer noch beibehalten.
Nur mit der Wascherei der Wäsche ist so eine Sache. Ich habe daher gedacht, daß ich die Dir nach Hause schicke. Leni [Pflichtjahr-Mädchen], die Du übrigens grüßen kannst, wird das ja machen können.
Hoffentlich ist nur Dorotheechen jetzt wieder voll auf den Beinen. Das leckere Busselchen stelle ich mir so lecker vor, wenn es morgens im Bett nach mir herumsucht.
Ich habe es mir gerade gemütlich gemacht und höre: eine Zigarre angesteckt. Schmecken tut sie mir ja nicht, aber es riecht so lecker und sieht so aus, als ob man zu Hause auf einem Sofa sitzt und seine 45 Jahre auf dem Buckel hat.
Ach, ich bin ja heute wieder mal so glücklich, daß wir uns haben. Wenn man hier so einsam und primitiv sitzt, fühlt man vielleicht doppelt, wie gut man sich einander ist und wie gern man sich hat. Und nun will ich Dich nochmals herzlich grüßen und Dir einen festen Kuß geben.
Dein Hannes
Gerade kommt auch das Päckchen mit dem Pullover und den Leckereien. Besonders Berliner Brot mag ich so gern. Ich dank' auch recht schön, lieber Moritz.