Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 28. Februar 1940
28. Februar 1940
Liebste Elsbeth!
Nun bin ich heute schon ein halbes Jahr Soldat. Das ist die Zeit, wo so viele sagen: es sei die schönste Zeit ihres Lebens. Ich muß nun sagen, daß es in meinem Leben schon schönere Zeiten gegeben hat. Nicht daß ich sagen wollte, ich hätte es nicht gut. Nein, darüber will ich nicht klagen. Aber vielleicht haben jene, die das sagen, nicht ein solches Frauchen, wie ich eins habe und so ein leckeres Dorotheechen, daß, wie ich aus Deinen Briefen lese, scheint's laufend mit einem Loch im Kopf, oder verbrannten Händchen herumläuft. Ja, wir haben auch hier schöne Stunden. Die schönsten sind die Urlaubsstunden, wenn ich abends plötzlich vor Dir stehe. Ach, ich denke so manchmal daran.
Unser Oberfeldmeister hat jetzt seinen dritten Sohn bekommen. Stell Dir mal vor, er hat die ganzen Jahre durch die Kinder erst 50,- Mark auf sein 1000,-markiges Ehestandsdarlehn abzuzahlen.
Heute hat mein Kamerad von Carl Oskar Jatho einen netten Brief und 2 Inselbüchelchen geschickt bekommen. Du hast doch auch gelesen von seiner „Bootsfreundin“, „Zeltfreundin“ usw. — Das ist seine Frau, womit er seine Paddelfahrten macht. Er selbst ist schon 60 Jahre alt und seine Frau auch. Es sind so „olle Knuver“, immer allein.
Sollen wir nicht später mal unsere Briefe veröffentlichen? Das gibt ein Buch mit mindestens 500 Seiten. Aber, sollen wir nicht lieber das alles für uns behalten, lieber Moritz? Was nützt uns unsere „Berühmtheit“, wenn wir dann „dauernd im öffentlichen Mittelpunkt“ stehen.
Aber nun genug des dummen Geredes. Ich sehe schon, wie Du diskret die Hand vor den Mund hälst und vor Langeweile gähnst. Deshalb nehme ich Dich in Eile nochmal in meine starken Arme und drücke Dich so feste an mich, daß Dir die Knochen weh tun, und dann gebe ich Dir einen solchen herzlichen Kuß, wie er nur eben sein kann, und dann . . . . nun, das wirst Du ja sehen, wenn ich das nächste Mal komme.
In Treue und Liebe
Dein Mannchen