Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 2. Februar 1940
2. Februar 1940
Liebe Elsbeth!
Gerade bekomme ich Dein Päckchen mit dem Kuchen, das Schreibpapier und noch einen besonderen Brief. Da wir aber nun gerade gegessen haben, wollen wir den Kuchen nicht mehr anschneiden. Hab herzlichen Dank.
Weißt Du, heut' habe ich mir mal so schön ausgedacht, daß, wenn der Krieg mal zu Ende ist, ich mit Dir hier hin fahre. Ich stelle es mir nämlich wirklich schön vor, daß ich dann mit Dir mal durch unser Lager gehen kann und Dir alles zeigen, wo ich eine Zeitlang gelebt und an Dich gedacht habe. Aber dann brauche ich nicht erst zu sehen, ob alle Knöpfe am Rock zu sind usw.; dann brauche ich auch nicht beim Durchgehen durch das Lager so oft den Kopf ruckartig nach rechts oder links zu drehen mit „Hände an die Hosennaht“ und Vorgesetzte grüßen. Das ist einem ja jetzt schon alles so in Fleisch und Blut übergegangen. Nein, dann habe ich mein liebes Frauchen richtig eingehakt und
schaue dann mit Dir mal in die einzelnen Hütten hinein. Wir machen auch mal einen kleinen Gang durch den Wald. Also, lieber Moritz, Du mußt Dich jetzt mit Deiner Gesundheit beeilen, daß Du dann wenigstens etwas gehen kannst. Wie geht es Dir überhaupt noch. Ist es nicht etwas besser geworden? Was sagt denn der Arzt? Du tust doch immer was dran?
Hier ereignet sich so gar nichts Neues, sodaß ich davon nichts schreiben kann.
Gib Dorotheechen nochmal ein herzliches Küßchen, daß es so richtig knallt und sag' ihr, daß ich sie schrecklich gern habe. Aber Dich, liebes Frauchen, habe ich noch immer am allerallerliebsten. So sei in diesem Sinne zum Schluß ganz herzlich gegrüßt und nimm auch einen festen Kuß von Deinem
getreuen Mannchen