Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 30. März 1940

30. März 1940

Liebste Elsbeth!

Nach 16 stündiger Fahrt sind wir nun endlich hier in D. angelangt. Die Fahrt war ja lang und ermüdend, aber wir waren schon froh, daß wir wenigstens Personenwagen und keine Güterwagen hatten. Ich hatte doch ein sonderbares Heimatsgefühl, als wir noch im Hellen durch Köln fuhren.

Abends vorher war der Chef (Bemshausen) noch auf der Schreibstube und wollte alles durchein­anderwerfen. Geschimpft hat er, obwohl er nicht schlecht gelaunt war. Mergen hat er wie einen Schuljungen am Ohr gezogen und gesagt: „Wie habe ich gesagt, wie Sie das schreiben sollen?“ Dann reichte ihm eine Ordonanz seine Lederjacke. Darauf: „Ja, Ja, ich gehe ja schon, ich weiß, daß ihr mich heraushaben wollt!“ Dann ging er nochmal zum Spieß und kam wieder schimpfend heraus. Darauf wurden ihm seine Handschuhe gereicht: Wieder: „Ja, Ja, ich weiß doch, daß ihr mich heraushaben wollt. Ich gehe ja auch schon.“

Leider hatte ich keine Zeit, nochmals zu Baulig zu gehen. Muß ihnen dann eben mal schreiben. Du hättest mich mal feldmarschmäßig gepackt sehen [sollen]. Auf dem Buckel den Affen, am Koppel Brotbeutel und Gasmaske, in den Händen die Geldkassette, Aktentasche mit Papieren und meinen Wäschebeutel.

Ja, lieber Schatz, nun sind wir in Detmold. Denk mal: eine richtige Stadt mit Schwimm-Hallenbad, Kino, Stadttheater, schönen Restaurants, mit richtigen Straßen, im Hintergrund den Teutoburger Wald. Vom Kasernenhof können wir sogar das Hermanns-

denkmal sehen. Unsere Kaserne sind 3 riesige langgestreckte Baracken (mit Brausen sogar.) Heute morgen bin ich dann auch sofort unter die eiskalte Dusche gegangen. Ach, Du glaubst nicht, wie gut das tat. Jetzt fehlst Du nur noch, um das Schöne erst schön zu machen. Du denkst sicher, der schwärmt so viel. Dem Hannes gefällt es da noch besser, als zu Hause. Aber, nein, das kannst Du ja nicht denken; aber Du gönnst mir doch sicher auch trotz der Trennung die Freude, wie ich sie Dir in jeder möglichen Form wünsche.

Nach der Brause fühle ich mich so frisch, nicht als ob ich die letzten 35 Stunden noch nicht geschlafen hätte. Dazu kommt auch all das Neue. Auch haben wir eine vernünftige, saubere und helle Schreibstube bekommen. Wir haben jetzt sogar einen richtigen Feierabend, wo wir die Schreibstube abschließen können und machen können, was wir wollen.

Heute abend ist der „erste“ Feierabend. Unsere Führer sind vorläufig noch dieselben.

Meine Adresse ist dieselbe geblieben. (F.P. No. 11593)

Ich schicke Dir schmutzige Wäsche. Das Diensthemd und -Socken und -Unterhose hätte ich gern schnell zurück. Andere Hemden und Socken brauchst Du mir nicht zu schicken; nur private Handtücher.

So, nun sage ich Dir noch, daß ich Dich sooooo schrecklich gern habe, Dich und Dorotheechen. Ich hab' Dich immer gern und immer mehr lieb und gebe Dir einen ganz festen Kuß auf Deinen „kleines Mündchen“.

Ich bin immer Dein treues und Dich liebendes

Mannchen