Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 3. April 1940
3. April 1940
Liebste Elsbeth!
Zuvor mal wieder einen herzlichen Gruß und festen Kuß. Deine Briefe habe ich jetzt mal wieder auf einen Knall bekommen, auch Deine beiden Päckchen. Der Kuchen mit den Kirschen drin hat sehr gut geschmeckt. Heute wollen wir das Schwarzbrot mit Käse „angreifen“. Gestern war ich einmal im Kino. „Wir tanzen um die Welt“ wurde gespielt, ein mittelmäßiger Film. Aber es war einmal eine Abwechslung. In einem andern Kino wurde „Opernball“ gegeben. Aber die Vorstellung begann erst um 8 Uhr. Und in Anbetracht des Zapfenwichsens wollten Mergen und ich nicht in die erst später auslaufende Vorstellung gehen. Aber, so oder so, auffallen tut man hier - egal wie. Heute morgen hat Uffz. Bostel (der, den Du auch kennengelernt hast, der mit der Frau, die Dir etwas gleicht) unsere ganzen Betten durcheinander geworfen. Die müssen so gebaut werden, als ob die Decken gehobelte Bretter seien. Und wir vom Stab und Troß haben das ja noch nicht gezeigt bekommen. Man will jetzt scheints mit aller Gewalt zackige Soldaten machen. Dabei kommts anscheinend weniger auf „Tapferkeit“ an, als auf den Drill. Dabei schaut der Hermann von seiner Höhe (Hermannsdenkmal am Teutoburger Wald) und denkt: Also so wird das heute gemacht, zu meiner Zeit kannte man das nicht und dennoch habe ich die Römer besiegt. Außerdem hat gestern der Tf. Bostel gefragt, ob alles sauber sei (in allen Buden.) Auf das „Ja“ ist er dann auf einen Schemel gestiegen, hat über eine Leiste gefahren und den dreckigen Finger am Gesicht des Stubendiensthabenden abgeputzt. Ich warte nur darauf, daß ein junger Tf. mir das einmal macht!!! Einen Zusammenstoß mit einem solchen habe ich schon hinter mir. Aber, das kann einen alten Eifelaner ja alles nicht erschüttern. Denn wir haben ja jetzt eine saubere Stube,
einen regelrechten Strohsack mit weißer Wäsche, ein Städtchen, Brause usw.
— alles Dinge, die wir in der Eifel so sehr entbehrt haben.
Und nun, liebstes Frauchen, möchte ich Dir so viele schöne Dinge sagen, die das Blatt nicht mehr fassen könnte. Soviel Küsse könnte ich Dir geben, daß Dir der Mund weh tut. Ich setze Dich auf meinen Schoß und dann mit Dir zusammen auf die Couch. Ach, ist der Gedanke an Dich doch schon so schön, als ob ich wirklich bei Dir wäre.
So, nun liebes Dorotheechen!
Unten siehst Du, wie Dein Vati einmal zu spät gekommen ist. Das darfst Du nie machen. Wenn Du mal älter bist und die liebe Mutti sagt, um 10 Uhr mußt Du schön zu Hause sein, mußt Du das auch tun; sonst geht es Dir wie Deinem Vati, daß Du Sonntags nicht spazieren gehen darfst. So, jetzt gebe ich Dir ein Küßchen und bleibe immer Dein lieber, guter Vati.
Auch Dir, liebe Elsbeth sage ich auf Wiedersehen
und gebe Dir zum Abschied noch einmal einen herzhaften und innigen Kuß
Dein Hannes