Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 7. April 1940
7. April 1940
Meine liebe Elsbeth!
Zu allererst einen herzlichen Gruß und einen festen Kuß.
Es sind jetzt beinahe 1 Uhr nachts. Bis jetzt habe ich gearbeitet. Und nun warte ich noch auf den Chef u. den Spieß. Aber die kommen und kommen nicht. Die haben ja so leicht mit dem Zapfenstreich nichts zu tun.
Deinen Brief vom 3. April habe ich (mit dem Schwarzbrot und den Zigaretten) bekommen. Den Brief habe ich, wie immer, wie etwas Kostbares aufgenommen. Von den Marken haben wir uns Brötchen gekauft und die Zigaretten kamen mir auch schon recht, denn kaufen kann ich mir kaum noch welche. (für die nächsten 3 Wochen stehen mir normalerweise, d. h., wenn Mergen mir nicht nochmal was leihen würde, 3.- Mark zur Verfügung.) Wenn man mal im Kino gewesen ist, eine Schachtel Zigaretten gekauft, ein Glas Bier getrunken und nochmal wie in alten Zeiten in einem Lokal ein regelrechtes Abendessen fein gegessen hat, ist der Sold für 5 Tage im Handumdrehen an einem Abend weg. Deshalb, wenn wir jetzt nochmal ausgehen, essen wir abends schon mal einen Heering (-,50 RM). Achtung, da kommen die „Herren Vorgesetzten“.
Am Morgen des 8. 4. 40
Bis / 3 Uhr diese Nacht hat der Kram noch gedauert und um 6 Uhr müssen wir ja morgens wieder raus. Antreten habe ich auch schon hinter mir und ich muß mich beeilen, damit der Brief gleich noch mit weggeht.
Du fragst nach unserer grauen Kluft. Das wird noch diese Woche gemacht, Gottseidank, denn Du weißt ja, daß ich dringend eine neue Hose benötige. Auch bleibe ich auf der Schreibstube.
Du mußt die Schrift entschuldigen, denn meine Finger sind wie zwei Eisklumpen.
Jetzt habe ich den Brief nochmal durchgesehen und zum Schrecken festgestellt, daß ich fast eine halbe Seite nur vom Geld geschrieben habe. Du mußt es nicht falsch auffassen. Ich soll schon mich hindurchwinden.
Aber, daß Deine Beine wieder so weh tun, ist doch allerhand. Kannst Du denn nicht mal so biologische Stärkemittel nehmen. Was sagt denn der Arzt dazu? Ich meine, einmal muß sich die Sache doch mal ändern. Du kannst doch nicht Dein ganzes Leben Dich mit dieser Sache herumschleppen. Tust Du denn auch alles, was der Arzt sagt.
Heute sind 48 von uns entlassen worden und übermorgen kommt neuer Ersatz.
Eine ganze Menge Soldaten haben ihre Frauen schon kommen lassen!
Die Plüschdecke kannst Du meinen Eltern wiedergeben.
So, meine liebe, liebe Elsbeth; jetzt halte ich Dich mal ganz fest lieb und gebe Dir einen ganz festen Kuß überall hin und zwei ganz zarte feine auf Deine so schönen Rosenknöspchen. Ich denke mir, daß ich dann bei Dir bin und mich in Deiner Liebe wohlfühle. Bist Du ja doch immer mein und ich immer Dein (Sag, was kann denn schöner sein). Immer bin ich Dein lieber und guter und treuer
Hannes
[Randzeilen:]
Liebes Dorotheechen! Bist Du auch in der letzen Woche schön brav gewesen? Und hast Du auch die Mutti recht lieb? Du mußt immer lieb sein, damit Vati nicht traurig sein braucht. Jetzt ein liebes Küßchen Dein Vati