Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 9. April 1940
9. April 1940
Liebstes aller Frauchen!
Zuvor mal wieder viele, viele Grüße von Deinem treuen Mannchen. Und auch vielen Dank für das „verliebte Zeug", worüber ich Deiner Ansicht nach lachen würde. Gelacht habe ich nicht, aber geschmunzelt vor Freude. Gelacht habe ich aber über Deine Ansicht über das Hemd. Es ist schon über 5 Monate in meinem Tornister gewesen. Ich hatte es garnicht mehr als Hemd angezogen, sondern damals in Schl. als Kopfkissen im Heu gebraucht, weil ich dachte, man kann es wegschmeißen, weil ich es ja doch nicht mehr als Sporthemd tragen kann. Und die Handtücher werden jetzt auch nicht mehr so schmutzig, da jetzt jeder sein eigenes Spind hat und nicht jeder immer das nächstbeste Handtuch nehmen kann. Ich hatte so'n Handtuch manchmal noch keine zwei Tage und schon wars wieder schmutzig. Und jetzt halte ich eins 'ne ganze Woche und es ist noch nicht halb so schmutzig. Nächstens könntest Du mir mal ein kleines Frottee-Tuch mitschicken. Wenn ich mich morgens brause, ist das eine Tuch so schnell patschnaß. Hast Du übrigens sämtliche Bücher zurückbekommen, die ich abgeschickt habe? und zwar „Deutscher Held", „Fürstin reitet", „Weg nach innen", „Neumann", „Waffenbrüder" und „Cornet".
Stell Dir mal vor: Sonntag habe ich doch, wie ich Dir schrieb, bis V 3 Uhr nachts gearbeitet. Andere konnten spazieren gehen und wir saßen drinnen. Nun hatten wir uns doch schon auf den Montagabend gefreut. Doch da war plötzlich Ausgangssperre, weil einer Essen in den Unteroffizierslokus geschüttet hatte. So mußte die ganze Kompanie dableiben. Nun waren 3 da, die ihre
Frauen hier haben. Du kannst Dir denken, wie es denen zumute war. Die Frauen wußten doch keinen Bescheid, daß ihre Männer nicht kommen konnten. Nachher hat der Kompanieführer ihnen aber erlaubt, daß ihre Frauen sich mit ihren Männern bis zum Zapfenstreich in der Kantine unserer Kaserne aufhalten durften und nach Zapfenstreich mit ihnen nach Hause ge den Logis gehen durften. Sie brauchten nicht zum Dienstantritt am andern Morgen wieder hier zu sein. Wenn wir über Pfingsten noch hier sind und es keinen Urlaub gibt, wie denkst Du darüber?
Viele von uns haben hier schon im Städtchen jemand gefunden, der ihnen die Freizeit auf eine „angenehme" Weise verkürzen hilft. Ob sie das auch ihren Frauen schreiben, glaub' ich nicht. Ich wünschte ja, ihre Frauen machten es ebenso.
Nun, liebes, liebes Frauchen, muß ich Dir noch einmal sagen, daß ich Dich jetzt im Augenblick mit Haut und Haar vor Sehnsucht auffressen könnte. Ich möchte so in Dich hineinbeißen und Du müßtest mir einen solch festen Kuß geben, daß es richtig weh täte. Ich will Dich so an mich drücken, daß wir keine Luft mehr bekommen könnten und dann fielen wir auf einmal um.
Und da die Couch gerade in der Gegend stände, .... ach, wäre das schön.
So, jetzt halte ich Dich - im Geiste natürlich - nochmals ganz fest lieb und küsse und herze Dich nach Herzenslust.
Ich bin immer Dein getreuer
Hannes