Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 18. April 1940
18. April 1940
Liebste, allerliebste Elsbeth!
War das doch gestern Abend eine Freude, daß wir uns nochmal gesprochen haben. Auch wenn man manchmal nicht wußte, was man sagen sollte und auch manchmal nichts sagte, war man doch so merkwürdig zusammen. Die Entfernung war so gering. Es fehlte nur noch, daß man sich beim Telefonieren sehen kann, um den unmittelbaren Eindruck der Nähe zu haben. Aber, wenn wir mal einen Augenblick nicht sprachen, sah ich Dich fast körperlich vor mir.
Unser neuer Spieß ist ein gedienter Mann aus dem Weltkrieg. Er macht einen guten Eindruck. Von Beruf ist er Brauereivertreter in Dortmund.
Weshalb wollte nun das Dorotheechen nicht sprechen? Ist sie denn so bange vor ihrem Vati?
Liebes Dorotheechen! Vati wollte gestern so gern mit Dir sprechen. Er hat auch das kleine Stimmchen gehört und sich sehr gefreut. Aber, weshalb warst Du denn nachher so bange?
So ein liebes und großes Mädchen muß doch telefonieren können. Ich hoffe, daß Du auch noch immer lieb und gut zur Mutti bist und immer artig. Wenn das nicht so wäre, wäre der Vati sehr, sehr traurig und würde, wenn er mal wieder nach Hause kommt, nicht freundlich zu Dir sein. Er würde nicht mit Dorotheechen spielen und es sehr streng behandeln. Aber, ich glaube, daß dies alles nicht notwendig ist und daß das Dorotheechen immer recht brav und lieb ist. Ich gebe Dir dafür ein Küßchen und bin immer Dein lieber, guter Vati.
Liebe Elsbeth! Ich bin auch immer Dein liebes und getreues Mannchen und habe Dich, wie Du weißt, von Herzen gern.
Leider habe ich jetzt keine Zeit; der Brief mußte ja eigentlich gestern abend geschrieben werden. Jetzt habe ich ihn heute morgen geschrieben und muß mich beeilen, damit er noch wegkommt. So bin ich denn, wie immer, Dein lieber Hannes und drücke Dich nochmal ganz fest an mich und gebe Dir einen festen Kuß.
Dein Hannes