Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 27. April 1940

27. April 1940

Liebster Schatz,

Du konntest doch nie gut Bilderrätsel raten. Kannst Du dieses denn entziffern? (Auflösung s. Schluß) Hach, jetzt rate aber mal feste.

Ach, liebster Moritz, wie ich mich freue. Du machst Dir gar keinen Begriff davon. Stell Dir mal vor: 9 Tage (Au, nun habe ich schon alles verraten.) Ich schwelge in Seligkeit jetzt schon. Und wie wirst Du Dich freuen! Nicht wahr mein Schatz. Mein süßes kleines Mädchen, Du. Aber so teuer erkauft mit Arbeit habe ich noch nie getan. Am Tag über wird man hier derartig durchein­andergerüttelt, Du kannst dies Dir kaum vorstellen. Aber, was ist das alles im Vergleich zu dem Glück, was uns beiden bevorsteht. Meine ganzen Gedanken sind bei Dir und Dorotheechen. Der neue Kompanieführer ist aber auch so nett. Heute frug er mich, ob ich schon Antwort auf meinen Brief, in dem ich Dir zuerst den Urlaub angekündigt habe, bekommen hätte. Du würdest Dich doch sicherlich riesig freuen. Ich konnte ihm dies auch nur bestätigen. Oder habe ich das Unrechte gesagt? Ha, Hoo!

Mit dem Spieß verstehen wir uns auch schon ganz gut. Er hat uns auf eine Unteroffiziersstube getan. (Mergen und mich.) Da schlafen wir dann mit 3 Uffz. zusammen und haben eine wirk­lich nette Stube. Ich habe sogar ein Bett erwischt mit einer Art Sprungrahmen und regelrechten Matratzen. Da schlafe ich nun wie im Himmel. Die Sache hat die große Annehmlichkeit, daß wir keine Stube mehr zu fegen haben, wir bekommen sogar das Bett vom Burschen gemacht,

der auch unser Essen holt und sonstige Kleinigkeiten erledigt.

Aber, ach, das ist ja alles so nebensächlich gegenüber der Tatsache, daß es Urlaub gibt. Ich bin ganz voll davon und möchte von nichts anderem schreiben. Ich male mir so schön aus, was wir dann alles tun werden, wie wir morgens zusammen Kaffeetrinken, nachdem Du mich endlich aus dem Bett herausgetrommelt hast. Mittags gibt's dann ein tellergroßes Rumsteak mit entsetzlich viel so lecker angebackenen Zwiebeln (mir läuft jetzt schon der Saft im Munde zusammen). Zwischendurch kommt Dorotheechen bei Vati aufs Schößchen und nach dem Essen setzen oder

legen wir uns auf die Couch Nachmittags wieder Kaffee trinken mit anschließendem

Spaziergang im neuen Jackenkleid und Strohhut. Und nach dem Abendessen fängt das Schöne erst mal richtig an. Dann herze und küsse ich Dich nochmal nach Herzenslust und halte Dich ganz fest lieb. Und Du mich auch.

So, in diesen Gedanken will ich jetzt schlafen gehen und möchte hoffen, daß ich doch endlich einmal recht schön von Dir träumen möge. Ich küsse und herze Dich noch einmal ganz fest und bin immer Dein Liebstes, was Du hast,

Dein treuer Hannes

 

Ich komme am 4.5. abends od. nachts und bleibe bis zum 2. Pfingsttag. Dienstagsmittags muß ich wieder hier sein. Aber nicht, daß Du Dich jetzt noch viel mit Hausputz abrackerst und, wenn ich da bin, ganz erledigt bist. Ich möchte mit Dir auch mal was spazieren gehn.