Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 16. April 1940

16. April 1940

Meine liebe, liebe Elsbeth!

Nun ist ein ganzer Stapel Briefe von Dir eingelaufen. Und wie ich mich darüber gefreut habe, kannst Du Dir denken. Aber Du sollst doch nicht immer bis in die Nacht hinein arbeiten.

Also, Feilmeyer war bei Dir. Nun weißt Du ja sicher so einigermaßen Bescheid, wie es mir geht. Es klingt so originell, wenn man liest „Herr" Feilmeyer. Das ist bei uns ein ganz verlorener Begriff geworden. Aber Dir ist es wahrscheinlich anders komisch. Übrigens, läßt Mergen Dir für Deine Ostergrüße herzlich danken.

Nun winkt der Mai mit Riesenschritten heran. Manchmal haben wir hier auch schon einmal einen sonnigen Tag, an dem sich sogar unsere „Hausstörche" sehen lassen, aber bis jetzt war es noch nicht sowarm, daß der Schnee in den Straßengräben geschmolzen wäre. Und nachts friert's immer noch mächtig.

Mir tut die Luft draußen immer besser und ich denke schon mit Schrecken daran, daß, wenn der Spieß wieder zurück kommt, ich wieder den ganzen Tag drinnen hocken muß.

Als „Spieß" komme ich auch jetzt schon ganz gut zurecht. Auf der Schreibstube bin ich die wenigste Zeit am Tage. Also, Keller wird Zahlmeister. Unser Melder, Gefr. Wenzel, ist heute auch als Uffz. abgegangen und kommt zum selben Lehrgang nach Münster. Vielleicht treffen sich die zwei.

Gerade erhebt sich ein Geschrei vor dem Fenster.

Eben habe ich eine Auseinandersetzung mit einem Bauern gehabt. Ich glaube, selten habe ich einen Menschen so angeschrien, wie diesen. Da ging mir doch langsam der Kamm hoch.

Wir hatten Wasser geholt und mußten dafür über seine Wiese fahren. Der Mann wurde derart unverschämt, in seinen Redensarten und Ansprüchen, daß in mir der Ausbruch sich „auslöste" und mir Luft machte.

Das „Spießsein" hat mir überhaupt gut getan. Man lernt, hart sein, was mir bis jetzt ja in gewissem Sinne abging. Wen muß man da nicht alle ansch. . . . Und wenn einer kommt mit Bitten, die nicht gut zu erfüllen sind, oder nur Berufungsfälle schaffen, heißt es, „nein" sagen können. Auf jeden Fall klappt die Sache, auch mit den Gespannen, der Unterkunft usw.

Es macht einem viel Spaß, auch wenn der „Spieß" nicht gerade der „gelittenste" Mann in der Kompanie ist.

Und nun liebe, liebe Elsbeth, küsse ich Dich ganz fest auf Deinen lieben und schönen Mund.

Ich halte Dich ganz fest lieb und bin immer Dein ganz getreuer Hannes.

Die beil. Osterkarte hat jemand aus Polen mitgebracht!