Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 18. Mai 1940
18. Mai 1940
Liebe Elsbeth!
Nimm zuerst wieder einen herzlichen Gruß und einen festen Kuß von mir. Dorotheechen gibst Du ein kleineres Küßchen, weißt Du, nicht, wie zwischen uns. Gestern Abend konnte ich Dir leider nicht schreiben. Wir hatten bis 7,00 Uhr gearbeitet und wurden plötzlich „eingeladen“ zu einem Nachtmarsch, der um 1/2 8 losgehen sollte. Da gings aber heidi. In einer halben Stunde Abendessen, etwas umziehen und den Tornister feldmarschmäßig machen. Um 12,00 Uhr nachts kamen wir hundemüde wieder zurück. Denn Affen, Brotbeutel und Gasmaske zusammen ergeben immerhin ein beträchtliches Gewicht. Aber die Gegend war schön und ich fühlte mich mal bald wieder wie in alten Zeiten (nur daß die Klampfe fehlte.) Und ich merke, daß mir so was gut tut.
Heute hatten wir wieder Schießen (Gewehr 98 mit Einstecklauf für Kleinkaliber). Ich bin über meine Schießerei wirklich überrascht — Resultat war wieder prima: 10 - 12 - 11 = 33 Ringe. Auf Deinen Schützen kannst Du stolz sein.
Von meinem Platz hier am Fenster habe ich jetzt einen schönen Blick in Nachbars Garten. Dicht vorm Fenster stehen 2 Fliederbäume in der schönsten Blüte. Drunter und drumherum blühen auf einer kleinen Wiese rote, blaue, gelbe, weiße Blumen. Weit oben liegt der Teutoburger Wald und von seiner Höhe herab grüßt der Herrmann mit seinem hocherhobenen Schwert herab. Auch die Apfelbäume sind in Blüte.
Was macht Dorotheechen. Kommt sie noch immer mit ihrem „Dorothea wieder Näs“ gelaufen? Fragt sie auch schon noch mal nach mir oder hat sie mich garnicht vermißt. Ich warte nun schon mit Schmerzen auf Deinen ersten Brief. Jetzt bin ich doch erst 5 Tage von Dir weg und doch ist es mir, als ob es ebenso viele Monate wären.
Ach, noch eine Neuigkeit! Wir haben jetzt ein Tambour-Korps in der Kompanie. Es fällt mir gerade ein, da ich von draußen die übliche Überei, die einem manchmal auf die Nerven geht, höre. Es ist nämlich gefragt worden, wer Trommeln oder Pfeifen zu Hause hätte, der könnte 3 Tage weg in Urlaub fahren, um die Sachen zu holen.
Du hättest mal sehen sollen, wie schnell wir den Kram zusammen hatten. Willst Du mir nicht auch 'ne Trommel kaufen? Na, lassen wir mal lieber sein.
So, liebstes Frauchen, jetzt küsse ich Dich noch mal sooo viele male, bis Du entweder nicht mehr kannst, oder bis Dir die Luft ausgeht.
Ich denke immer an Dich und bleibe immer und ewig Dein treuer Hannes und Dein geliebtes
Mannchen