Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 19. Juli 1940

19. Juli 1940

Meine allerliebste Elsbeth!

Ich schicke Dir als Brief N° 7 heute 2 Tafeln Schokolade.

Und nun, liebe Elsbeth, einen herzlichen Gruß und recht schönen Dank für Deine beiden Briefe vom 13. u. 14. Juli. Die Briefe sind so schön, daß man garnicht davon loskann - so verheißungsvoll. Du schreibst daß wir bald am Kanal sein müßten. Wir waren ungefähr 70 km davor, mußten aber zu „unserem Flugplatz“ wieder 40 km zurück nach Süden, sodaß wir jetzt etwas über 100 km von der Küste entfernt liegen. Bei den Fliegern, bei denen wir liegen, bezw. für die wir arbeiten, war gestern abend eine Sauferei, daß einem Hören und Sehen

vergehen konnte. Einer von ihnen hatte 2 und ein anderer einen feindl. Flieger abgeschossen. Zudem versenkten sie beim selben Flug 10.000 Tonnen. Aber sie wissen natürlich abends vor dem Abflug nie, ob sie des Nachts wieder zurückkommen. Deshalb nehmen sind ihre Saufereien auch immer entsprechend. Vorgestern ist wieder einer von ihnen geblieben. Aber zackige Kerle sind die Jungens.

Ich muß nun zum Chef, um die neue Führerrede zu hören.

Ich komme von der Übertragung, gepackt wie noch nie von einer Führerrede. U. a. wurde auch Liszt zum Generalfeldmarschall befördert der sich um den Durchbruch am Aisnekanal, der so oft vom Führer genannt wurde, so verdient gemacht hat. Zu seiner Armee gehören auch wir und ich bin ordentlich stolz darauf, daß wir bei diesem gewaltigen Durchbruch die ersten waren, die sofort nach den Panzern und Stoßtrupps kamen, um der nachrückenden Infanterie die Übergänge zu schlagen. So Auch waren wir, als wir in Dole waren, am südlichsten Punkt, der von den Deutschen genommen wurde. Von Süden kamen

schon die Italiener bis zu dieser Stadt vorgedrungen. Die ital. Grenze lag ja nur noch rd. 150 km entfernt.

Ich bin froh, daß unsere Truppe nicht so ganz verdienstlos aus diesem Krieg zurückzukehren braucht.

Nun einmal zu Dorotheechen:

Liebes kleines Dorotheechen.

Die liebe Mutti schreibt mir, daß Du schon so ein großes Kind geworden bist und schon allein auf das große Töpfchen gehen kannst, ja, daß Du Dir das Popöchen selbst abputzt und das Wässerchen ziehn. Ich bin ganz erstaunt, daß mein liebes Dorotheechen so tüchtig geworden ist. Nun mußt Du aber auch weiter immer schön brav und lieb zur Mutti sein und ihr immer folgen. Dann hat der Vati auch immer soviel Freude an seinem Dorotheechen wie bisher. Nun gebe ich Dir ein Küßchen und lasse mich mal kräftig von Dir liebhalten, weißt Du, so wie früher. Also nun auf Wiedersehen mein liebes, gutes Dorotheechen und sei lieb zu Mutti.

Dein Vati.

Liebe Elsbeth, Dir gebe ich schon ein größeres Küßchen und halte Dich auch nochmal fest lieb. Ich dank Dir auch nochmals für all das Liebe und Gute, was Du in Deinen Briefen schreibst und daß Du so gut zu Dorotheechen bist. Aber Du weißt ja auch, ich bin immer nur Dein Hannes. Ich will ja auch alles für Euch beide tun und habe Euch so gern. Wir haben ja nur noch ein einziges Herz. Mach nur, daß Dein Körper auch bald so gesund wird, wie Dein Herz.

Ich bin immer Dein glücklicher
Hannes