Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 25. Juli 1940
25. Juli 1940
Mein lieber Moritz!
Dein Brief vom 20. Juli liegt vor mir und ich habe ihn schon ein paar mal gelesen. An den Briefen kann man sich so von Herzen erfreuen und ich danke Dir, daß Du immer so fleißig und schön schreibst.
Heute war ich nicht faul und habe Einkäufe gemacht für im ganzen 55,- RM. 3,25 Meter Herrenstoff (grau mit feinen Streifen für ein Jackenkleid für Frauchen. 2,00 m Blusenstoff, der heute mit Päckchen abgeht. (Schreibe mir, ob Du ihn bekommen hast). Und 5,00 Meter schwere Seide für ein Frauchen-Abendkleid, die Seide ist von lila-violetter Farbe und muß auf Dein dunkles Haar sicher schön stehen. Sie ist ganz schwer und angeblich das Beste im Geschäft.
Aber ich kenne von Qualität leider nichts und weiß daher nicht, obs wahr ist. Meine Kameraden sagen, daß ich zu Hause fürs Meter sicher 15,- M. bezahlen muß. Hier kostet das Meter 89 Frs. = 4,45 RM. Hoffentlich kommen wir nun bald nach Deutschland, denn schicken kann ich das Zeug ja nicht. Nun, was sagst Du nun zu Deinem Mannchen. Habe ich nicht fleißig für mein Frauchen gespart? Außerdem habe ich noch 35,- Mk. im Portemonnaie.
Die Seide liegt 1,- M. breit und ich habe mit Händen gestikuliert, daß es für ein langes Abendkleid mit einem ganz ganz weiten Rock sein soll. Darauf sagte die Verkäuferin quatre Metre. Ich habe aber Cinq (fünf) Meter gekauft, damit es noch weiter sein soll. Die Verkäuferin hat gelacht. Und wenn er noch nicht ausreichen soll, kann man ja von den ganzen 5 Metern nur einen
Rock machen und für Bluse oder Wämmeschen etwas anderes dazunehmen.
Ich schicke heute 3 Päckchen ab: eins mit Kaffee, eins mit 2 Stückchen Seife und eins mit dem Blusenstöffchen. Bist Du nun „endlich“ einmal mit mir zufrieden.
Du fragst, wie es mit unserem Rotwein steht. Ich bin ihn schon bald über und verzichte gern ganz auf ihn, wenn ich nur bald wieder bei Euch bin.
Liebes Dorotheechen!
Ich habe immer gedacht, Du seiest so lieb und mich immer so darüber gefreut. Aber was muß ich da auf einmal hören. Du willst mittags nicht schlafen? Das ist aber sehr böse von Dir, denn die liebe Mutti muß doch auch mittags ein wenig duckelen. Also, nächstens wird mittags geschlafen, nicht wahr? Im übrigen grüße ich Dich nochmal recht herzlich, erwarte aber, daß Du jetzt schön in allem der Mutti folgst. Ich gebe Dir ein schönes Küßchen und bin Dein Vati.
Das gibt's nicht mehr!
Nun, liebe Elsbeth, will ich noch schnell die Päckchen fertigmachen. Briefe füge ich keine bei. Ich herze und küsse Dich und erwidere alles das, was Du mir an Gutem und Schönem tun willst. Du weißt, ich bin immer und immer Dein ganz getreues
Mannchen