Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 29. Juli 1940

29. Juli 1940

Meine liebe Elsbeth!

Gerade habe ich Deine letzten Briefe nochmal alle durchgelesen und mich wieder daran erfreut. Ich küsse Dich ganz fest auf Deinen Mund und grüße Dich recht herzlich.

Daß das Pullöverchen für Dorotheechen noch in einen tragbaren Zustand versetzt werden konnte, macht mir Freude, denn dann ist es doch wenigstens nicht umsonst geschickt worden. Aber, ehe ichs vergesse. Kannst Du mir keine Filme mehr besorgen? So viel es eben geht. Das Geld wirst Du ja für mich übrig haben; Du siehst ja auch, ich bin zu Gegendiensten immer bereit. Mit gleicher Post geht ein Pfund Bohnenkaffee ab und gestern habe ich Dir ebenfalls ein Pfund geschickt. Heute auch 2 Stück sehr schöne Seife. Du kannst ja mal etwas an Deine und meine Mutter, bezw. Anna abgeben. Kannst Du das Zeug eigentlich alle brauchen? In den letzten 14 Tagen habe ich allein an Kaffee 8 Päckchen an Dich abgesandt (4 - 5 Pfd).

Ich freue mich auch immer, wenn Du so nett von Dorotheechen schreibst. Ich muß dann bei ulkigen Szenen immer

laut lachen. Das Blag ist ja goldig.

Morgen fahre ich vielleicht schnell einmal nach Belgien (Brüssel) — ca. 120 - 150 km von hier entfernt —. Auf die Stadt bin ich mal gespannt. Vielleicht bekomme ich da auch Filme. Aber es ist zweifelhaft. Das braucht aber für Dich kein Grund zu sein, keine zu schicken, denn man wird auch da nur einzelne bekommen und ich kann viele gebrauchen.

Gestern hat mir ein Uffz. der Flieger mal ein schweres Bombenflugzeug von innen und außen gezeigt und erklärt. Das schwirrt aber dadrinnen vor lauter Armaturen, Bombenauslöser, Kanonen- und M-G-Bedienungsknöpfen. Die Flieger auf „unserem“ Platz haben vorgestern ihren größten Tag gehabt. Ein engl. Kreuzer, 2 Zerstörer, 1 od. 2. Handelsschiffe und ein riesiger vor Dover liegender Öltanker wurden versenkt oder in Brand geschossen. Außerdem wurde ein feindl. Flugzeug abgeschossen. (Selbst haben sie aber auch bei der Fahrt ein Flugzeug - 2 Mann Besatzung - verloren.)

So liebes Frauchen, jetzt küsse ich Dich recht oft an den schönsten Stellen und setze mich mit Dir in unsere Ecke. Aber lange kann ich leider nicht bleiben, denn ich muß schon wieder an die Arbeit denken. Also, auf Wiedersehen, meine liebe, liebe Elsbeth; ich bin immer Dein Dich verehrender

Hannes

Gestern war ich in Valenciennes, das s. Zt. im Wehrmachtbericht oft erwähnt wurde. Das Stadtzentrum ist ein einziger Trümmerhaufen und es ist ein grotesker Anblick, die doll angemalten Frauen und Mädchen inmitten dieses zu sehen.