Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 17. September 1940
17. September 1940
Meine liebe, liebe Elsbeth!
Heute habe ich nichts von Dir bekommen, dann werde ich morgen wohl wieder zwei Briefe bekommen.
Gerade habe ich im Radio die Meldungen gehört. - Armes London, aber es schadet Dir ihm mal nichts, daß es endlich auch einmal selbst den Krieg verspürt. Die haben ja am Tag und in der Nacht nichts anderes mehr als Fliegeralarm und leben mehr im Keller, als im Hause.
Ich gehe jetzt zum Kino und schreibe den Brief morgen früh vor Abgang der Post fertig.
Liebe Elsbeth. Im Wehrmachtskino wurde gestern abend „Das Paradies der Junggesellen“ gegeben. Ich habe nochmal herzlich gelacht. Auf dem Nachhauseweg bin ich dann nochmal bei unserer Kantine vorbeigegangen. Da saßen nun noch der Spieß, ein Leutnant, ein Feldwebel und 5 Unteroffiziere. Und so kam ich dann erst um ein Uhr nachts „nach Hause“. Am Tor nahm ich meine Stiefel in die Hand und schlich auf Socken über den Kies. Bald wäre ich nicht mehr hereingekommen, aber hinterm Haus stand glücklicherweise die Verandatür offen. Aber heute morgen bin ich nun müde und kaputt. Den Kopf stütze ich in die Hand und die Zigarette schmeckt mir nicht.
Gerade ließ mich der Chef rufen. „Sagen Sie mal, Ließem, da ist doch diese Nacht einer reingekommen; wie ist das möglich, kann man hier durch den Keller?“ Ich, forsch in
zackiger Haltung, Finger an die Hosennaht, Kopf hoch: „Nein, Herr Leutnant, die Kellertür ist abgeschlossen!“ Dann er: „Na, auf jeden Fall wird jetzt abends um 10 Uhr das Tor abgeschlossen.“ (Daß ich als Uffz. bis 11,00 Uhr Ausgang habe, scheint er zu übersehen.)
Aber von meinem Ausgang mache ich ja fast nur dann Gebrauch, wenn einmal Kino ist.
Im „Paradies der Junggesellen“ haben wir schrecklich lachen müssen.
Inzwischen habe ich ein Päckchen für Dich fertiggemacht und einem Urlauber mitgegeben. Hoffentlich erhälst Du alles unversehrt.
Und nun nehme ich Dich wieder in meine Arme und drücke Dich ganz fest an mich und gebe Dir einen herzhaften Kuß. Dann setzte ich Dich auf mein Bein und Dorotheechen auf das
andere und halte Euch zusammen einmal fest lieb und stecken dann die Köpfe aneinander so ganz innig und Dorotheechen spielt an meinen Haaren und sagt „Vati lieb“.
Ich küsse Dich noch einmal fest auf Deinen schönen, lieben Mund und bin immer Dein
geliebter und treuer
Hannes