Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 5. Oktober 1940
5. Oktober 1940
Meine liebe Elsbeth!
Wenn Du das nachstehende Rätsel geraten hast, kennst Du den ganzen Inhalt meines heutigen Samstag-Briefes.
Die Anfangsbuchstaben der zu ratenden Worte sagen Dir noch, was ich denke, aber auch sie können nicht das ausdrücken, was ich empfinde. (ch = 1 Buchstabe)
I Was ist Hammerstein! Eine…
CH Wie heißt Christian Düren mit Vornamen?
H Wer ist im alten Griechenland von einem bösen, lieben Mannchen geraubt worden.
A Wo trägst Du den Armreif aus Dole
B Man kann es trinken und kostet in Frankreich 1 Frank = -,05 RM
D Wie heißt unsere Tochter mit Vornamen?
I Wer war der erste sagenhafte Flieger?
CH Exotisches Tier mit langer Zunge und Fliegen-fressend.
S Was wurde ich beim Stromschwimmen durch mein am Rheinesstrand stehendes liebes Frauchen, damals noch „heimlich Verlobte“?
E Und was erfolgte aus der Verlobung am 19. September 1937?
H Womit streichst Du mir übers Haar?
R Die Deine Augen sind wie die eines . . . .
L Hast Du mich auch . . . .?
I Und wie lange ?
E bis ans . . . .?
. . . . Wohin küsse ich Dich jetzt ganz zart und innig?
Ach, Elsbeth, ich hab Dich ja so lieb und ich fürchte, aus meinem heutigen Brief wird wieder nur verliebtes
Zeug, aber das nächste Mal will ich mich wieder bessern. Aber es ist fast so, als ob ich seit meinem letzten Beidirsein anders gar keinen Gedanken fassen könnte. Und dazu kommt noch Dein heutiger erster Brief, der so schön war. Nur den Kloß im Halse schluß schluck' ihn herunter und denke nur an unser Glück. Und auf die 90 [Hannes meint 90 Pfund und hat die Zahl mit Blumen umzeichnet] bin ich ja mal gespannt. Strenge Dich nur tüchtig an.
Ich habe heute für dix Franks Rosen gekauft und zwei schöne Sträuße gemacht. Einer steht an Deinem Bildchen und einer auf dem Schreibtisch. Jetzt muß ich aber „lächeln“, denn während ich dies schreibe, schaue ich mal auf und sehe Dichtung „Poesie und Prosa“. Also, wie gesagt, auf dem Kamin stehst Du neben den Rosen und auf dem Schreibtisch, an dem ich sitze,
steht neben den Rosen die Kanne Bier. Das verleitet Dich aber hoffentlich nicht zu dem
Gedanken, daß Du annimmst, ich würde denken, daß Du denken könntest, ich dächte,
„eine Kanne Bier in der Hand ist besser als Frauchen in weiter Ferne“. Die Zusammenstellung ist nämlich wirklich unabsichtlich.
Nun, Du liebes, gutes Frauchen, jetzt gebe ich Dir noch einen herzhaften Kuß auf Deinen so lieben Mund und hoffe nur, daß Dich mein heutiges Gestammel nicht enttäuscht. Schreibe es mir dann oder schicke den Brief „ungeöffnet“ zurück. Ich bin immer Dein Dich liebendes und Dich ehrendes, gutes
Mannchen.