Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 26. Oktober 1940
26. Oktober 1940
Meine liebe, liebe Elsbeth!
Herzlichen Gruß und Dank für Deine Briefe und Karten. Es tut mir leid, daß Du einen so hässlichen Sonntag mit Krach usw. verlebt hast. Das Wiedersehen hätte ruhig etwas anders ausfallen dürfen. Da gehst Du nächstens einfach nicht mehr hin, wenn sowas „besonderes“ ist, sondern nur, wenn alles ruhig und kein Betrieb ist.
Ich denke jetzt soviel an zu Hause, daß ich gar nicht weiß, was ich Dir von hier schreiben soll. Ich sitze hier schön im geheizten Zimmer. Der Bursche hat heute alles gründlich sauber
gemacht, sogar das Fenster geputzt und frische Blumen an Dein Bild gestellt. Und nun denke ich nur an Dich, wie gern ich Dich habe und wie ich mich auf ein Wiedersehen mit Euch freue. Ich küsse Dich immerzu und will garnicht von Dir lassen und setze mich zu Dir, trage Dich durchs Zimmer und küsse Dich wieder und wieder. Ich kann gar nicht genug von Dir haben. Ich lege meine Hand auf Deine schöne Brust und küsse Dich ganz innig darauf und drücke mich nah an Dich. Ich werde schwindelig vor Erwartung, wenn ich weiter denke. Ich habe nur einen Gedanken: Dich. Und Du bist immer um mich, sorgst für mich und hast mich unendlich lieb. Wie oft kommt einem jetzt das Wort von dem „Einssein“ in den Sinn und wie hat dieses Wort für uns
eine so schöne Bedeutung, so wunderbare Gestalt angenommen.
Ich kann mich gar nicht mehr allein - abgesehen von der räumlichen Trennung - denken, will auch nicht daran denken. Ich habe ja Dein gutes Herz so lieb, Deine Stirn, Deine Augen, Deinen Mund, Dein Verlangen nach mir und Deine Liebe und Deinen wunderschönen Körper, denn alles gehört ja mir ganz allein, sodaß ich reich bin, ganz unendlich reich.
Denn mehr kann ja keiner haben als wir. Natürlich gehört ja auch unsere Liebe einen Teil Dorotheechen. Und ich wünsche Ihr das Schönste, was es geben kann, das Glück, das wir aneinander besitzen.
Liebste Elsbeth! Ich verbinde mich im Geiste nochmal ganz, ganz innig mit Dir und alles Andere fällt von uns ab. Ich gehöre immer nur ganz Dir allein und bleibe immer Dein Dich verehrender
Hannes