Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 28. Oktober 1940

28. Oktober 1940

Meine liebe Elsbeth!

Gerade ist Dein Brief mit den Bildchen angekommen, wofür ich Dir recht sehr danke. Daß nun ausgerechnet aber das Bildchen mit dem „Hausanzug“ mit Klaus zusammengeraten ist, der, wie ich ja von Dir weiß, diesen so gut leiden mag, gibt mir ja nun doch zu reger Besorgnis Anlaß.

Vor lauter Klaus hast Du ja anscheinend das Weiterdrehen vergessen. Hach, meine ganzen Familienverhältnisse sind zerrüttet. Ja, ja, so ist es, wenn der Mann im „Krieg“ ist; dann macht sich die Frau eben hinter die Brüder des Mannes her. Aber ich bin ja froh, daß ich hinter Eure sauberen Schliche gekommen bin. Jetzt muß ich nur sehen, daß ich schnell nach dort komme um wieder mal gründlich Ordnung zu schaffen!!!

Aber die Bildchen von Dorotheechen sind wirklich nett geworden. In dem Badehöschen sieht sie so lieb und schon etwas erwachsen aus, besonders, wenn man die Beinchen ansieht. So dick wie Deine sind die auch bald. Aber vielleicht jetzt, wo Du ja auf die 90 mit Riesenschritten zugehst, nicht mehr. Hoffentlich kann ich Dich noch tragen. Ach, und wenn Du 2 Zentner wiegst, schwenke ich Dich doch noch rum, wie ein junges Rehkitzchen, daß Dir Hören und Sehen vergeht. Und dann werfe ich Dich auf die Couch daß die Federn in Trümmer gehen. Ja, so bin ich - wie der „wilde Mann“.

Gestern rief mich der Chef herein und sagte: „Kommen Sie mal Ließem, ich will Ihnen eben zeigen, was ich gekauft habe.“ Er ist dann wie ein Junge. Er packte ein Paar Schuhe aus, ein Paar Strümpfe, ein Tönnchen Heringe und zum Schluß, sein Stolz, eine sogenannte „Garnitur“.

Raten Sie mal, was die gekostet hat! - ? - 20,- RM. Nach gebührender Bestaunung des Kaufpreises schritten wir dann zur Besichtigung, aber nicht, ehe er mich vorher

gefragt hatte, ob ich es auch wieder so schön einpacken könne, denn früher habe er sowas nie selbst gekauft, oder sich auch nur drum gekümmert. Es ist eine ganz nette Garnitur, hellblau und das Teure werden wohl die Spitzen sein. Aber nach Besichtigung frug ich ihn dann doch, ob sie nicht etwas völlig wäre. Die Hose ist einfach riesig. Anna würde sie meines Erachtens noch zu groß sein und mindestens bis an die Knie reichen. Und Frau Albrecht ist ja nicht viel mehr als Du. Ja, sagte er, es kommt mir auch etwas groß vor, aber es ist die Nummer. Nun ist es hier so, daß die Nummernbezeichnungen verschieden von denen in Deutschland sind. Denn auch das „Hemdchen“ war noch mehr, als Hemd. Vor allen Dingen, so breit, daß es Anna noch zu weit wäre. Aber er war sehr stolz auf das kostbare Ding, weißt Du so richtig nett und jungenhaft. Wenn er so ist, und das ist er ja meistens, mag ich ihn richtig gern.

So, nun gebe ich Dir einen herzlichen Kuß und halte Dich ganz fest lieb. Ich bin immer Dein getreuer
Hannes