Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 19. November 1940

19. November 1940

Meine liebe Elsbeth!

Heute, an Deinem Namensfest gebe ich Dir zur Begrüßung einen ganz, ganz herzlichen Kuß. Hoffentlich hat Linz die beiden Bücher geschickt, damit Du von Deinem Mannchen doch wenigstens etwas hast an diesem Tag. Es ist ja schön, daß Du Dorotheechen wieder da hast. Hoffentlich ist sie nur brav, damit es Dich nicht zu sehr anstrengt.

Meinen Apparat lasse nur ruhig da. Ich hole ihn mir gelegentlich wieder mit. Mit meinem Urlaub? ... Ich weiß vorläufig nichts. Vielleicht versuche ich, ihn erst im Dezember zu bekommen und zwar so, daß die letzten Tage auf Weihnachten fallen. Es ist dann ja wohl eine längere Zeit bis zum Urlaub, aber ich glaube, daß es Dir noch lieber ist. Aber rechnen dürfen wir nicht fest damit. Dein Glückwunsch zum ROA war ja großartig. Ich schrieb Dir ja auch schon darüber. Hast Du es Fuchsens wissen lassen? Was haben sie gesagt?

Wir haben übrigens jetzt eine Putzfrau in dem neuen großen Haus. Es ist doch etwas anders, wenn eine Frau sauber macht, oder die Burschen. Männer sehen, glaube ich, den Dreck gar nicht so, wie eine Frau. Nun werde ich aber etwas dazu tun müssen, ich meine: Geld.

Die Frauen, die von der Ortskommandantur zu den Häusern befohlen werden, bekommen vom Bürgermeisteramt 40 Pfennig pro Tag.

Ich mußte mal eben zum Büro und habe dort meinen Füller liegen gelassen. Da der Brief aber noch weg soll . . . entschuldige bitte die Coupierstiftschrift.

Eben brachte man mir auch den Brief von Dir. Mit der Artillerie ist es so. Ich musste angeben, für welche „Waffen“gattung ich mich entscheiden wolle. Da ich aber über 30 Jahre alt bin, besagt eine entsprechende Vorschrift, daß eine Übung vorläufig für den ROA nicht nötig ist. Ich bleibe also vorläufig hier. Ich nehme an, daß ich später einmal, wenn ich Offizier werden soll, eine Übung mitmachen muß. Das wird aber m.E. noch lang werden.

Mit Leni ist ja schade, daß sie nicht länger abends bleiben kann. Aber es ist doch sicher immerhin besser wie garnicht. Siehe auf jeden Fall zu, daß Du vor Ostern Dich nach einem Pflichtjahrmädel umsiehst. Wenn die Kinder mal aus der Schule sind, ist es meistens zu spät und n'a plus.

Und nun nehme ich Dich Namenstagskind in die Arme und drücke und herze und küsse Dich, wie es sich an einem solchen Tag geziemt. Ich bin immer Dein treuer
Hannes