Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 13. Dezember 1940
13. Dezember 1940
Meine liebe Elsbeth!
Ich habe Deine beiden Briefe, darunter ein ganz langer, bekommen. Vor allen Dingen sehe ich, daß es unserem Stümpchen nun wieder soweit gut geht. Es freut mich auch, daß die Wiege so schön wird und es macht doch Spaß, daß Du sie selbst geschmückt hast.
Die Farbbescherung sind eben Handwerkerfreuden. Die Nikolausbescherung hätte ich aber auch gern gesehen. Die Äugelchen von Dorotheechen müssen doch ganz groß gewesen sein. Und dann die Teigröllchen und Förmchen. Wie wird sie jetzt der Mutti „helfen“.
Hat übrigens Frau Weigel meinen Kaffee bekommen? Ich hatte ihr vor ungefähr 10 Tagen etwas geschickt. Fräulein Faßbender schrieb mir, daß sie ihn bekommen hätte.
Übrigens, in Deinem Brief schriebst Du, daß Du eine Schachtel Zig. beigelegt habest. Der Briefumschlag war an der Seite eingerissen und die Zigaretten nicht drin. Nun ist es ja wegen der Schachtel nicht so tragisch. Aber dumm ist es, daß der Brief auf war.
Sommer mit Cordelia kenne ich. Auf das Buch von Oellers bin ich mal gespannt.
Übrigens, weißt Du, daß Gmelin vor 8 oder 14 Tagen in Berg.-Gladbach im Alter von 57 Jahren als Volksschullehrer (Dr.) gestorben ist? In Berg.-Glad-
bach, wo auch die Geschichte „Sommer mit Cordelia“ spielt, ist hat er die letzten Jahre gelebt.
Den Wintermantel kannst Du Heinz geben. Ich hätte ihn ja doch nicht gerne mehr getragen. Und es ist ja so, vorläufig bin ich ja doch nicht zu Hause und Heinz ist zu Hause.
Ich hatte schon mit dem wahnsinnigen Gedanken gespielt, wenn ich für Dich alles habe, für mich noch einen guten dunklen Mantel zu kaufen. Dann hätte ich den ersten fürs Büro und die Woche und den neuen für gut, auf dunkle Anzüge.
Ich bin jetzt „Kinderschreck“ geworden. Vor 14 Tagen haben meine Kameraden mal einem Kind einen Topf Suppe und ein Stück Brot gegeben. Jetzt stehen aber auch bald von Mittags bis abends 10 - 15 Kinder mit allen möglichen und und unmöglichen Töpfen, Kannen und Kesseln vor der Tür und sogar im Hausflur und rufen mit verlassenen Stimmchen abwechselnd: „Nix Supp“ „nix Brott“. Bis es einem zuviel wird. Dann reiße ich die Tür auf und „brülle“. „Nun allee partie, aber tout suit, allemarsch“. Ob es richtig ist, weiß ich nicht, aber verstehn tun sie es im Nu. Dann stürzen sie mit Kannengeklapper fort. Wenn es zu toll wird, muß ich schon mal ein Lineal in die Hand nehmen und ein furchtbares Gesicht machen. Dann stürzen sie wie besessen davon. Leid tun sie mir im Innern ja doch, die kleinen Quälgeister. Aber, von den Resten der Verpflegung für 4 Mann fällt ja nicht für halb D. etwas ab.
Und nun halte ich Dich ganz schrecklich lieb und herze und küsse Dich nach Herzenslust. Ich bin immer Dein glücklicher und getreuer
Hannes