Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 1. Januar 1941
1. Januar 1941
Meine liebe, liebe Elsbeth!
Neujahr ist’s! Und ich wünsche Dir und Dorotheechen in diesem Jahre alles Gute und Schöne. Vor allen Dingen wünsche ich, daß uns das neue Jahr einen glücklichen Abschluß des Krieges bringt, der uns dann alle in der Heimat vereint.
Nach ein paar warmen Tagen bietet die Stadt heute am Neujahrsmorgen ein winterlich verschneites Bild. Ich denke gerade daran, daß ich im vergangenen Jahr am Neujahrsmorgen den Dir damals geschilderten wunderbaren Spaziergang mit Seckelmann gemacht habe. Und wir rätselten damals genau wie heute an dem Verlauf des kommenden Jahres herum. Aber das wird wohl immer so bleiben.
Gestern, Sylvester, hatte ich einen sehr arbeitsreichen Tag. Bis abends halb zehn ununterbrochen gearbeitet. Dann bin ich mit dem Chef zur Wohnung gefahren. Er fuhr heute morgen noch mal einige Tage in Sonderurlaub. Da hatten wir natürlich noch manches zu besprechen. Außerdem ist der Spieß nicht da (Krankenhaus) und nun kannst Du Dir ungefähr vorstellen, was ich alles am Halse habe.
Darnach haben wir dann von 11,00 – ½ 1 noch zusammengesessen und das neue Jahr begonnen. Kurz vor 12,00 Uhr steckte
er eine Kerze an und sagte dabei: „Dann wollen wir eine Kerze auf unsere Frauen anzünden!“ Es war sehr nett schön und wir haben uns von zu Hause unterhalten usw.
Aber durch das alles konnte ich Dir gestern keinen Brief mehr schreiben. Und wie hast Du das neue Jahr begonnen? Wahrscheinlich im Bett, ja?
Telefoniert Dorotheechen noch? Oder ist die Neulust schon vorbei? [Ein Weihnachtsgeschenk].
Und was macht sie mit den anderen Spielsachen?
Ach, ich möchte Euch jetzt so beim Kopf nehmen und alle beide Köpfe an meine Brust drücken und Euch herzen und küssen.
Möge das neue Jahr uns das für uns Beste bringen.
Ich bin immer Euer treuer
Hannes und Vati.