Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 16. Februar 1941
16. Februar 1941
Meine liebe Elsbeth!
Gestern konnte ich Dir leider nicht den planmäßigen Brief schreiben, da ich in Lille war. Und zwar sollte ich den Oberfeldwebel besuchen und nahm mir einen anderen jungen Uffz. mit. Wir hatten den Samstag nachmittag und den Sonntag vormittag und noch nachm. bis 5 Uhr vor uns.
Zum erstenmal bin ich nun die bekannte Strecke nicht mit dem Auto gefahren. Der Zug führte uns durch das allerschönste Frühjahrswetter. Die Sonne schien so warm und freundlich, daß uns die nordfranzösische Kohlengegend halb so schlimm dünkte. Dazu kam noch das Gefühl des freien Tages, sodaß alles in Butter war.
Nach einem leckeren Mittagessen in Lille nahmen wir uns im Hotel ein Zimmer, stellten unsere Sachen ab und fuhren dann mit der Elektrischen zum Krankenhaus. Aber wer nicht da war, war unser Spieß. Der Oberleutnant hatte ihn des mittags schon abgeholt, und nun ist er für 5 Tage vom Lazarett beurlaubt.
Jetzt wieder zurück zur Stadt. Da ist doch ein anderer Betrieb, wie hier. Genau wie in Köln die
Hohestraße. Nur daß die Gesichter der Frauen in allen Farben schillern. Hast Du schon mal lila geschminkte Augendeckel und in derselben Farbe gefärbte Wimpern und Augenhöhlen gesehen? Ääätsch, ich aber!
Dann waren wir im Soldatenheim, wo Musik war, haben uns die Geschäfte angesehen, hier ein Glas Bier getrunken, da Kaffee getrunken, dabei fachgesimpelt usw. Abends gingen wir wieder in unser Stammlokal essen. Von außen sieht das Ding aus wie eine schlimme Taverne oder Spelunke, obwohl es an einem großen Platz liegt. Fenster verklebt mit Zeitungspapier, ganz olle dreckige Gardinen, aber innen ganz nett und gutes Essen – vor allen Dingen – markenfrei. Dann sind wir im Starkdunkeln nochmal durch die Stadt, gerieten auch in ein „Lokal“, wo wir uns ganz schnell wieder verdufteten und fanden nachher ein großes Konzertkaffee. Aber Himmel, was war das für Musik. Nur Krach machten die Äster [rheinischer Ausdruck], ohrenbetäubend. Um ½11 Uhr gingen wir dann zu unserem Hotel und schliefen einen ehrlichen, gesunden Schlaf bis 9 Uhr heute morgen.
Im Soldatenheim frühstückten wir, anschließend Mittagessen und Besuch eines fabelhaften franz. Kinos. Um 7,00 Uhr sind wir wieder hier angelangt.
Deine Briefe habe ich auch gelesen und danke Dir sehr für die Liebe. Dein Füller hat sich in meiner Tasche gefunden. „Du hast ihn sicher versehentlich hineingesteckt.“ Ich lege ihn hier bei.
Aber, daß die Filme schön geworden sind, freut mich
ja mächtig. Hoffentlich bekomme ich ganz, ganz schnell die Abzüge einmal hier.
Und nun, meine liebe, liebe, schöne, süße, kleine Elsbeth, grüße ich Dich recht herzlich und küsse Dich ganz innig. Ich bin immer Dein getreuer Hannes (der Mitte März „wahrscheinlich“ Dich wieder in die Arme schließen wird.)