Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 2. Mai 1941
2. Mai 1941
Meine liebe Elsbeth!
Mein Füller ist seit einem Tag verschwunden, deshalb die Kopierstiftschrift.
Vielen, herzlichen Dank für Deine letzten Briefe, das Vollkornbrot u. die Zigaretten. Wenn Du meinst, daß ich „ohne Durst“ Bier tränke, irrst Du Dich gewaltig. Seit wir hier sind, habe ich noch erst 1½ Liter insgesamt getrunken und zwar aus dem einfachen Grunde, weil es hier keins gibt. Da steht man denn manchmal mit seinem Durst und weiß nicht, wie man ihn löschen soll.
Mit meinem Magen habe ich seit meinem letzten Urlaub überhaupt nichts mehr gehabt.
Als ich heute morgen vor die Tür trat, war alles mit einer 10 cm Schneeschicht überzogen. Unsere Störche schauten ganz verdutzt auf dieses ihnen unbekannte Bild. Aber nichts destoweniger, sie haben sich trotzdem lieb. Denn die Störche sind ein ganz schlimmes Volk. 15–20 mal am Tag ergehen sie sich vor aller Augen in den tollsten Liebesspielen. Wenn sie fertig sind, klappern sie sich gegenseitig an, dann fliegt er
fort, holt einen Zweig, einen Heubuschen oder einen Frosch und wenn er zurückkommt, erhält er von seiner wartenden Frau gleich wieder eine Belohnung.
Es ist eine landwirtschaftliche Stimmung, wie zu Weihnachten.
Übrigens, als Melder haben wir jetzt einen Godesberger auf der Schreibstube – Faßbender. Er hat Dir schon mal einen Brief von mir gebracht. Du wirst ihn also kennen. Er ist ein ganz patenter Kerl.
Aber an den 20. April habe ich tatsächlich nicht gedacht. Als ich es in Deinem Brief las, bin ich glaub ich, rot angelaufen, wegen des Vergessens.
Nun, ich küsse Dich jetzt noch nachträglich ganz innig und bin immer Dein getreuer Hannes.