Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 13. Januar 1943
13. Januar 1943
Meine liebe Elsbeth!
In verhältnismäßig schnellster Fahrt — ich traf gestern abend hier ein — bin ich gut angekommen. In München hatte ich nur 2 Stunden Aufenthalt. Auf der ganzen Strecke habe ich im Ganzen höchstens 6–7 Stunden stehen brauchen, also recht günstig. Nachts hatte ich Leibschmerzen. Am Tag nur ab und zu. An der Endstation kamen wir schon am 11. 1. spät abends an und „schliefen“ nochmal im Zug. Gestern Morgen gings dann mit dem Omnibus bis Rom, mit der Straßenbahn weiter bis zum letzten mit der Straßenbahn zu erreichenden Ort. Dort habe ich zum erstenmal seit zu Hause etwas Warmes gegessen. In dem „Ristorante“ gab’s aber ausgerechnet Bohnengemüse und vorher eine Bohnensuppe mit Nudeln. Zu den Bohnen gabs anstatt Fleisch den ortsüblichen Schafskäse. Die Bohnen haben mir noch nachts zu schaffen gemacht. Nun, nach dem Essen bekam ich einen LKW bis halber Weg zur Einheit. Dann habe ich 2½ Stunden auf der Landstraße gewartet. Dabei wurde ich wieder eingewöhnt. In dieser kurzen Zeit wurde die Straße (Via Appia) 4´ durch feindl. Jäger angegriffen. Ich lag im Graben und die M-G-Geschosse schlugen so einen Meter neben mir ein. Nachher bekam ich zufällig unseren Verpflegungswagen zu packen, mit dem ich bis zur Einheit fuhr. Unterwegs mußten wir 2´ halten. Einmal lag eine Stadt unter Beschuß und dann hatten wir einen Platten. Aber gut kamen wir an.
Hier habe ich mich zuerst gewaschen und rasiert und dann Dein Päckchen und das von zu Hause aufgemacht. Briefe dazu gelesen. Heute morgen war zufällig der Arzt hier. Wir haben auch jetzt einen Stellvertreter (Unterarzt). Ein fideler Kerl. Oft ist er beschwipst, so auch heute morgen. Aber — es geschieht was mit mir. Ich bekomme . . . . . Weißbrot verschrieben!!!
Schade, augenblicklich wird aber keines mehr gebacken. Drum bin ich froh, daß ich noch wenigstens ein ganzes habe. Da ich ja nur immer 2 Scheiben esse, komme ich da noch etwas mit aus. Und dann werde ich wohl Rat finden. Vor allen Dingen Folgendes: Der Kompanie sind 4 Plätze für Erholungsbedürftige zugewiesen worden. Und zwar kommen diese in ein Luftwaffenerholungsheim in die
Dolomiten auf 3 Wochen. Das wäre mir schon recht, denn ich weiß nicht, wie ich jetzt den Dienst versehen soll. Bis zu dem Lehrgang sollen Back und ich mal wechseln. Back hat im Einsatz noch nicht Komp.-Truppführer gemacht und ich im Einsatz noch keinen Pi-Zug geführt. Und als Zugführer ist man ja den ganzen Tag draußen. In den 3 Wochen könnte ich mich dann doch etwas erholen. Hoffentlich klappt es. Sonst muß ich sehen, wie es geht.
Und nun denke ich nochmal an meinen „Urlaub“. Ich bin ja froh, daß ich zu Hause war, aber wegen Dir habe ich ein etwas schlechtes Gewissen. Komme Dir einfach als kranker, klappriger und malader Krieger auf den Hals und falle Dir zur Last.
Aber ich war mal wieder zu Hause, und mir hat’s ja auch trotz der Krankheit gut getan. Ich herze und küsse Dich ganz, ganz innig und erinnere mich dabei manchen schönen Augenblicks aus unserem Zusammensein.
Ich bin immer
Dein Hannes.
Marken anbei zurück! Ich habe keine gebraucht