Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 15. Juli 1943
15. Juli 1943
Meine liebe, liebe Elsbeth!
Nun sind Deine drei Päckchen auf einen Schlag richtig und unversehrt angekommen.
Auch bei den beiden, die so von Wert für mich waren sind richtig und vollzählig angekommen. Vielen Dank für alles. Der Kuchen In das war noch gut erhalten und schmeckte tadellos. Auch die Kerzen kann ich gut gebrauchen, wenn mal das Licht ausgeht.
Eben war ich mit dem Chef in . . . ., weißt Du, ich habe Dir doch schon mal von dem riesigen königl. Schloß geschrieben. Ein Teil des Schlosses ist als Offz.-Kasino f. die ital. Fliegeroffz. eingerichtet. Aber wie, ganz fabelhaft. Ich glaube nicht, daß es in Deutschland ein so schönes gibt. Ist ja auch nur dadurch möglich, daß eben das Schloß schon stand und nicht erst gebaut werden braucht. Leseräume, Billardsäle, Aufenthaltsräume, Erfrischungshalle, wo wir Bier und Wermuth tranken. Baderäume, Eßsaal usw. usw. Das Schönste ist der Fußboden. In jedem, sogar auf den Toiletten, besteht er aus feinstem einfarbigem und gemustertem Marmor, teils in großen Platten, teils in Mosaikform verlegt. Manche Böden sind direkt ein Gedicht. Dann sind die Räume tadellos gepflegt. Der Boden ist so glatt, daß es eine Freude wäre, mit Dir einen
„Tanz aufs Marmor“ zu legen. Die Bediensteten gehen in schwarzer Hose, weißer geschlossener Leinenjacke mit Borden herum.
Du hörst ja jetzt viel von Sizilien. Mein Zelt steht aber noch an der alten Stelle, also keine Angst.
Die letzten 5 Tage war es mit Kartoffelbraten nichts. Es gab zur Verpflegung diese Tage keine Butter od. sonst. Fett. So habe ich mir einen anderen Leckerbissen ausgedacht. Klingel, mein intelligenter Putzer, strolcht immer in der Gegend rum, was zu finden. Erst waren es Zwiebel, jetzt hat er eine schöne Tomatenstelle ausfindig gemacht. Im Augenblick liegen deren etwa 100 Stück, appetitlich rot lächelnd, vor mir auf dem Tisch. Ich bin also schon zweimal hergegangen, habe ein halbes Kochgeschirr voll auf Scheiben geschnitten, bei der Küche etwas Salz, Pfeffer und Essig hereintuen lassen, ja sogar Öl ist dazu gekommen,
dann, nicht zu vergessen, eine apfelgroße Zwiebel, recht fein geschnitten, dazugegeben und das Ganze einige Stunden ziehen lassen. Vorher hatte ich es noch gekühlt. Aaaaber, das schmeckt.
Weißt Du, wie man etwas kühlt, wenn alles warm ist? Luftkühlung. Man nimmt das Kochgeschirr, oder wenn man eine Flasche Limonade kühlen will, die Flasche, wickelt ein vollkommen nasses Handtuch od. einen anderen dicken, nassen Lappen darum und hängt es draußen, wenn es eben geht, im Schatten, auf. Die Sache wird so kühl, als ob sie auf Eis gestellt sei. Einfach ins Wasser setzen, hat keinen Zweck, da das ja zu warm ist.
Ist es mit mir nicht ulkig. Damals war ich bei der Kompanie, die später, nach meiner Versetzung, nach Afrika ging. Nun bin ich ja wieder versetzt worden vor 1 ½ Monaten. Nun ist meine letzte Kompanie in Sizilien mit allen anderen Kompanien des Batls. Nur wir liegen jetzt noch hier. Alles, was wir hier vom Krieg sehen, sind allabendlich die feindl. Bomber, die die große Stadt in der Nähe (etwa 35 km weit) angreifen. Außerdem sehen wir die im benachbarten Flugplatz aufsteigenden eigenen u. ital. Jäger und Bomber. Unter letzteren sind auch solche, die ein großes Torpedo zur Torpedierung feindl. Schiffe unter dem Bauch hängen haben.
Für meine Kameraden meiner letzten Kompanie, für Kampmann usw., hoffe ich, daß sie alles gut überstehen. Sie werden ja schon im dichtesten Gewühl drinstecken.
Ich grüße Dich recht herzlich und küsse Dich innig auf Deinen lieben, guten Mund.
Auch Dorotheechen ein liebes Küßchen. Hoffentlich ist sie inzwischen wieder wohlauf.
Ich bin immer
Dein Hannes.