Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 22. Juli 1943

22. Juli 1943

Meine liebe, liebe Elsbeth!

Ich werde nun wieder mal eine Zeitlang keine Post von Dir bekommen und Dir wird es umgekehrt gehen. Die Strecke zwischen hier und der Heimat ist gestört. Trotzdem will ich weiter regelmäßig schreiben. Vielleicht ist die Störung schneller behoben, als man annimmt. Heute war ich wieder in N. Aber es war nicht so schön wie sonst.

Heute war ich nämlich dienstlich da, hatte verschiedene Lager und Dienststellen abzulaufen und verschiedene Materialien zu beschaffen. Dazwischen noch etwa 2 Stunden Fliegeralarm, außerdem klappte es mit dem Wagen nicht. Er hatte 2 Pannen. Einmal ging der Anlasser nicht, mußte angeschleppt werden und dann wurde der Kühler undicht. Alle Viertelstunde mußte neues Wasser beschafft werden und neu aufgefüllt werden. Dazu herrschte heute wieder mal „besonders warmes“ Wetter. Man ist dann wie betrunken. Ich bin nur froh, daß es mir gesundheitlich nichts mehr ausmacht, obwohl es jetzt im Juli und August jeden Tag wärmer wird.

Aber etwas Erfreuliches habe ich dann doch gehabt. Ich habe fabelhaft zu Mittag gegessen. Erst die unvermeidlichen Spaghetti, die man hier so vor dem Essen nimmt wie bei uns die Suppe. Den „Dreh“ hab‘ ich schon raus. Dann Bratkartoffeln mit Leber. Aber das schwamm in Fett und Zwiebeln. Dann gebackene Nieren mit ital. Salat. Ein normales Essen, für das man bei uns 1,20 zahlt, kostet hier etwa 3,00 – 3,50 RM. Das Essen heute hat 44 Lire, also etwa 5,70 RM gekostet. Daß das Leben hier teuer ist, sieht man schon am Verpflegungsgeld. In Deutschland gibts pro Tag 2,10 RM, hier 7,50 RM, wenn man mal einen Tag wegmuß und von der Truppenverpflegung abgesezt wird. Aber das Essen hat mir so recht geschmeckt. Ich hätte die Portion allerdings noch einmal verdrücken können.

N. ist auch von Luftangriffen sehr stark heimgesucht. 2 – 3 mal am Tag u.i.d. Nacht ist Alarm. Und die Bomben fegen dann nur so herunter. So schlimm wie in Köln ist es allerdings nicht. Am Hafen habe ich einige Kupfer- u. Nickelmünzen ins Wasser geworfen. Kleine Jungen von 7 – 8 Jahren tauchten darnach und streckten, wenn sie herauf kamen, freudestrahlend die Hand mit dem Geldstück, etwa 1 ½ od. 3 Pfennig Wert, hoch. Es sah so niedlich aus, wenn sie in die Tiefe gingen. Sie waren pudelnackt und jedesmal kam einen Augenblick ihr unschuldiges,

blankes, braunes Popöchen aus dem Wasser.

Gestern war ich mit dem Chef am Meer. Es war etwas wegen des Schießplatzes, der direkt am Meer liegt, zu regeln. Wir haben dann auch selbstverständlich geschwommen. So schön wars noch nie. Es war nämlich ein sehr starker Wellengang und herrlich ist‘s dann, durch die Brandung zu schwimmen.

Im „Ausgehanzug“ hast Du mein Bild ja schon. Heute lege ich zwei Bilder bei, die mich zeigen, wie ich im Lager zwischen 6 und 8 und 19 Uhr bis Schlafengehen herumlaufe. Zwischen 8 und 19 Uhr trage ich meist nur Badehose. Man zieht sich hier überhaupt so oft um, wie eine Frau. Morgens zum Antreten ganz feierlich in langer Pumphose, Schlips, Rock, umgeschnallt. Direkt nach dem Antreten kurze Hose, offenes Hemd, nicht umgeschnallt. Beim Einbruch der stärksten Hitze Badehose. Um 16 Uhr, zum Antreten zum Nachmittagsdienst wieder kurze Wichs, darnach wieder Badehose, darnach wieder kurze Wichs. Hat man nun Vergatterung, oder muß man raus, zieht man wieder lange Hose und Schlips an. Zwischen 9 und 15 Uhr muß Feld- oder Schirmmütze getragen werden zum Schutz gegen Sonnenstich. Wir nehmens aber nicht so genau, da man so stark schwitzt darunter. Die Tropenschirmmützen haben zwar ein richtig langes Schild und sind auch sonst luftig, aber barhäuptig ist doch noch immer besser.

Hoffentlich haben die Angriffe bei Euch etwas nachgelassen. Ihr habt die schlimmsten Tage und Nächte zu bestehen und ich rede Dir von Meer, Abruzzen, N., Essen usw. Ich schäme mich.

Ich küsse Dich innig auf Deinen lieben, guten Mund und bin immer
Dein Hannes.

Denke bitte dran, daß Du auf Mutters Namenstag Blumen aufs Grab besorgst.