Bericht von Johannes Ließem, 8.-17. August 1943

Einsatz des Übersetzzuges in der Zeit vom 8. – 17. 8. 1943 — Sizilien

7. 8. Befehl kommt, im Morgengrauen des 8. 8. 43 den Übersetzzug mit Sturmbooten,Floßsäcken u. sonst. Gerät nach Catona, etwa 10 km nördl. Reggio, in Marsch zu setzen.

Einsatzbefehl: Das Ziel ist in 2 Tagesmärschen zu erreichen, Sturmboote u. Floßsäcke alsdann sofort klarzumachen zum Übersetzen der letzten deutschen Soldaten von Sizilien zum Festland

Zusammenstellung des Kommandos:

Stärke: Führer des Kdos. Insp. Höffner
Zugführer Feldw. Ließem
Mannschaften des Zuges: 18
eigene LKW-Fahrer 2
zugeteilte ‘‘ ‘‘ 3
‘‘ PKW ‘‘ 1
Fahrzeuge: 2 eigene LKW u. 2 Anhänger für Sturmboote
3 zugeteilte LKW
1 PKW (Insp. H.)
Ausrüstung: 12 Sturmboote
15 große Floßsäcke
22 kl. ‘‘
Kleingerät, Waffen u. Munition
Eigene Fahrzeuge und Anhänger werden noch am Abend verladen.

8. 8. 0.30 – 0.45 treffen die 3 zugeteilten Opel ein. Beladung
5.30 – 7.30 Uhr. Abmarsch 8.00 Uhr
Marschweg ab Triflisco: Capua, Neapel, Salerno, Castrovillari

9. 8. Castrovillari, Cosenza, Nicastro, Pizzo. Fliegerschäden an den Straßenzwangen heute zu riesigen Umleitungen. Während des Marsches häufige Fliegerangriffe, Bomben u. Beschuß mit Bordwaffen. Dabei haben wir den Ausfall eines LKW (zugeteilter Opel-Blitz) zu verzeichnen. Der Wagen stürzt eine steile Böschung herab und verbrennt. Verschiedenes Gerät,

darunter auch Floßsäcke, werden noch sichergestellt. Als Wache bleiben der Fahrer u. Gefr. Kasper.

10. 8. Ankunft in Catona: 10,00 Uhr. Bis 13,00 Uhr. Abladen, Boote klarmachen, Boote und sonst. Gerät an Ort bringen. Arbeiten werden durch häufige Fliegerangriffe gestört. Insp. H. setzt mit Siebel-Fähre über zum Einholen des weiteren Einsatzbefehls. Nachmittags: Tarnen des gesamten Gerätes. Schaffen von Buhnen mit Splitterschutzwällen für die Boote. Liegeplatz flacher, sandiger Strand, äußerst günstig zum Anlegen und Absetzen. Fliegerangriffe werden gegen Abend u. i. d. Nacht immer stärker.

11. 8. Beheben von versch. kleinen Mängeln an den Maschinen. Motore 5 und 11 sind, wie vorauszusehen war, mit ihren Fehlern nicht klar zu bekommen. Um 13 Uhr bringt Insp. Höffner den Befehl des Batl., Fähren gem. Anweisung des O. Schirrmstr. Kemp zusammenzubauen und zwar:2 Stubo, dazwischen ein großer Floßsack, außenbords der Stubo je 1 kl. Floßsack.

[Abbildung]

Fw. Ließem äußert Bedenken gegen diese Fährenart, die nur für ruhiges Wasser geeignet scheint. Ein Stubo mit je einem großen Floßsack back- und steuerbord, mit 2 Mann zu steuern, scheinen ihm günstiger. Jedoch wird die erste Fährenart durchgeführt. 4 Fähren werden zusammengebaut, sodaß noch 2 Einzelboote verbleiben. Der Zug verlegt nach Messina. Die erste Fähre mit Insp. H. hängt die kl. Floßsäcke infolge des unruhigen Wassers schon nach 300 m ab. Zwischen 17 und 18 Uhr erreicht der Zug Anlegestelle Messina. Fähren werden sofort wieder, da ungeeignet, abgebaut. Floßsäcke werden hoch auf den Strand und auseinander gezogen. Eine Fähre wird wegen Kühlschaden abgeschleppt. Liegeplatz nördlich Messina ist etwas beengt, Flachufer, kiesig, günstig zum Anlegen u. Absetzen. Luftlinie zwischen Messina und Catona 8 km, Fahrstrecke etwa 14 km. Die Boote müssen die größten Strömungen, Gegenströmungen und Strudel umfahren, daher die längere

Fahrstrecke. Schon bei diesem ersten Übersetzen, das noch bei verhältnismäßig ruhigem Wasser geschieht, stellt sich heraus, daß jedes Übersetzen sich schwierig gestalten wird. Die Gegenströmungen reißen den Fahrern fast das Steuer (den Motor) aus der Hand. Sicherung der Seitenbewegung des Motors durch Bindeleinen wird daher angeordnet. Heute häufige Fliegerangriffe auf Messina, die Fähren u. den ganzen Strand. Abends wird auf dem Liegeplatz Boot 10 von einem anlegenden, schlecht manövrierenden, Landungsboot angefahren. Heckwand des Bootskörpers eingedrückt, Steuerrohr verbogen. Boot so nicht einsatzfähig.

12. 8. Die ganze Nacht war ein einziger Bombenangriff. Bomben fallen wie Hagel.Boot 10 wird nach Catona geschleppt. Bootskörper u. Steuer mit denselben Teilen der nicht einsatzfähigen 5 ausgewechselt. Boot 10 wird dadurch wieder klar.

Sämtliche Boote werden wieder klar gemacht. Es zeigt sich hierbei, daß die Stubo nicht für längere Fahrten auf See geeignet sind. Der Einsatz Sizilien muß aber garantiert sein. Es wird daher befohlen, gründliche Prüfung der Motore durch die Fahrer nach jeder Fahrt.

Hauptsächliche Mängel sind:Mangelhafte Kühlung dch. Zusetzen der Kühlkanäle infolge Salzabsonderung des Seewassers. Mangel macht sich meist morgens bemerkbar, wenn Motor nachts nicht gelaufen ist.

Überhitzen des Motors u. des Öles dch. mangelhafte Kühlung.
Wasser u. Salzabsonderung im Vergaser, in den Zylindern
Zusetzen der Düsen m. Salz
Rostbildung, auch in den inneren Motorteilen
Ventile bleiben hängen infolge Salzverkrustung. Zündung schlägt dadurch durch Einlaßventil zurück in den Vergaser. Vergaserbrand´

Das Wasser zwischen Messina u. Catona ist sehr tückisch. Es gibt Strudel von 8 – 10 m Durchmesser. Der Trichter ist in der Mitte etwa 0,50 – 1,00 m tiefer als die sonstige Wasseroberfläche. Etwa 6 Strömungen u. Gegenströmungen liegen auf der geraden Strecke, die sogar von den großen Siebelfähren und Landungsbooten gemieden werden.

Es ist daher jedesmal ein Haken nach Norden zu schlagen, der wenigstens aus dem gefährlichsten Bereich herausführt.

Planmäßiger Übersetzbetrieb ist noch nicht notwendig; Offz. werden lediglich schnell her- und hinübergefahren, da für eilige Befehle das Übersetzen mit der Fähre zu langsam geht. Am Tag übliche Fliegerangriffe. Für Major Jacobi und Hauptm. Roßmann wird ein Boot zur Verfügung gestellt. Als Sicherung führt jedes Boot im Bug einen aufgepumpten und ausgerüsteten kl. Floßsack mit.

13. 8. Morgens einige Kurierfahrten. Mittags kommt der Herr General mit Grenadieren. Übersetzen in 8 Einzelbooten. Die See ist ruhig.Während des Übersetzens tritt ein plötzlicher Sturm ein. Die Wellen schlagen 2 – 3 m hoch. 4 Boote (2, 9, 10 u. 12) nehmen starke Brecher über und saufen ab. Sämtliche Männer, auch Nichtschwimmer, werden von den Fahrern und Beifahrern gerettet und erreichen mit den kl. Floßsäcken das Festland. Unvorsichtigkeit oder Unfähigkeit der Fahrer liegt nicht vor. Die übrigen wie durch Wunder gerettete Boote haben sämtl. die übl. Schäden. Feldw. Ließem macht die 4 Boote klar, dabei Fliegertätigkeit, und führt sie nach dem Liegeplatz Messina zurück. Inspektor Höffner meldet den Fall dem Batl. Am Abend trifft Oblt. Lambrecht ein, fährt jedoch wieder zurück u. veranlaßt das Herüberschaffen des inzwischen mit der Brüko eingetroffenen M-Bootes und des bei dem Kfz-Unfall geretteten und nun nachgeführten Gerätes (Floßsäcke u. Munition). Fliegertätigkeit.

14. 8. Eintreffen des M-Bootes u. der Floßsäcke, Munition. M-Boot als Sicherung je einen Floßsack steuer- u. backbord.

Befehl des Batl.: Fährenbau. Ein Stubo mit steuer- u. back-

bord je einem großen Floßsack, Verrödelung durch 2 starke Balken.

[Abbildung]

Kentergefahr besteht nun nicht mehr. Es sind nun klar: 4 Fähren und zwei Einzelboote. Die beiden Einzelboote werden laufend für Herrn Hptm. Roßmann und zu Kurierfahrten benötigt. Rege Fliegertätigkeit. Der Liegeplatz des M-Bootes, das gerade zu einer Probefahrt ausgelaufen ist, wird durch Bombentreffer in einen riesigen Trichter verwandelt. Männer kommen nicht zu Schaden.

Lediglich Gefr. Fuhrmann wird von einem Stein in die Hüfte getroffen und Pi. Beuke etwas am Finger verletzt. Die Männer bleiben aber einsatzfähig.

15. 8. Nachts stürmische See. Brandung schlägt die Boote voll und überspült sämtliche Motore. Oblt. Lambrecht will übersetzen, aber fast sämtliche Motore haben die bekannten Schäden. Eine klare Fähre setzt mit Oblt. Lambrecht über, die anderen Boote Motore werden sofort wieder klar gemacht. In 2 Stunden sind wieder sämtliche Maschinen einsatzfähig. Tagsüber die bekannten Instandhaltungsarbeiten. Aufpumpen der Floßsäcke, Festziehen der Leinen, Arbeiten an den weggespülten Buhnen, Kurierfahrten usw.

16. 8. Nachts ruhige See. Klar sind M-Boot-Fähre, 4 Stubo-Fähren, 2 Einzelboote.

Stellungswechsel wird befohlen. M-Boot-Fähre, 4 Stubo-Fähren, 1 Einzelboot verlegen etwa 12 km südl. Messina. Ein Einzelboot verbleibt zur Verfügung Hptm. Roßmann. An das M-Boot werden die restlichen Floßsäcke angehängt. Die See ist sehr unruhig. Die Ausfahrt wird durch einen starken Fliegerangriff begleitet. Bomben fallen dicht neben die Boote. Aber kein einziger Fahrer läßt sich aus der Ruhe bringen. Dazu erfordert das tückische Wasser, besonders in der Gegend der Zitadelle, vollste Aufmerksamkeit und Fahrer-Sicherheit. Es ist Es geht jetzt ins schlimmste Fahrwasser. Strudel, Strömungen u. Gegenströmungen, Brandungswellen

u. andere, hohe Wellen stellen die höchsten Anforderungen an die Tüchtigkeit und Nerven der Fahrer. Nur langsam kommen die Fähren vorwärts und das Einzelboot wird wie ein Spielzeug hin- und hergeworfen. Neuer Liegeplatz denkbar ungünstig. Strand ist nicht flach genug. Die im Wasser in der Brandung schaukelnden Boote schlagen sofort voll Wasser. Feindl. Ari schießt sich auf die Ortschaft ein. Direkt am Liegeplatz jedoch keine Treffer. Nach einer Stunde weiterer Stellungwechsel, 2 km südlich, dieselben Uferverhältnisse. Außerdem hat sich die Entfernung zum Festland sehr stark erhöht. Beim Übersetzen mußte jetzt auch das gefährlichste Wasser überwunden werden. Am neuen Liegeplatz ebenfalls Beschuß durch feindl. Artillerie.

Sollte hier die Übersetzstelle für die Letzten aus Sizilien eingerichtet werden, muß mit Ausfällen, vielleicht der ganzen Boote gerechnet werden. Trotzdem ist die Stimmung so, daß jeder sich wieder ruhig ans Steuer stellen wird und den Kampf mit dem Wasser aufnehmen wird.

Nach weiteren 2 Stunden, die mit Wasserschöpfen vergehen, bringt Insp. H. den Befehl zum Stellungswechsel an den alten Liegeplatz. Wieder wird diese gefährlichste Kante umfahren und gegen Abend liegt wieder alles am alten Platz. Inzwischen sind aus dem flachen Strand einige große Trichter g Bombentrichter geworden.

Inspektor Höffner wird durch Oblt. Lambrecht abgelöst. Oblt. Lambrecht gibt Befehl, die Fähren, die für den letzten Zweck zu langsam sein werden, abzubauen. Der Einsatz ist diese Nacht, oder im Morgengrauen zu erwarten. Die übrigen Floßsäcke werden sämtlich hinter das M-Boot gehängt. Bombenabwürfe stören dauernd die Arbeiten. Feindl. Artillerie schießt sich ein, doch liegen die Einschläge mehr landwärts. Trotzdem gehen die Arbeiten schnell voran. Nachts Stellungswechsel etwa 500 m nördlich. Transporte

werden noch mit Fähren durchgeführt. In der Nacht noch werden die Boote klargemacht zur letzten Fahrt.

17. 8. Nachts, die Boote sind klar. Mit der letzten Siebelfähre verlassen das überflüssig gewordene Gerät die Insel. Im Morgengrauen stehen am Ufer Messinas noch ein Häuflein deutscher Offiziere und Männer. Hauptm. Roßmann spricht einige Worte. Die Fliegertätigkeit u. Art hat nachgelassen. Ein Sieg-Heil auf den Führer erschallt. Und den festen Willen im Herzen zur Widervergeltung steigen die Letzten in die kleinen flinken Boote. Oblt. Lambrecht fährt mit Boot 6, Feldw. Ließem mit Boot 1 bildet den Schluß. Das große Bootshaus am Strand wird in Brand gesetzt. Wie ein leuchtendes Mahnmal steht das brennende Holzhaus. Die Motore rasten an und laufen noch auf Standgas. Doch dann rucken die Boote an, schießen los und heben dabei den Kiel mit dem Hai-Zeichen hoch aus den Wellen. Ruhig stehen die Fahrer an ihren Motoren. Die Boote geben das letzte Mal noch einmal alles her und in einer Rekordzeit von 20 Minuten wird das Festland um 6,15 Uhr erreicht. Die Übergesetzten besteigen die wartenden Fahrzeuge. Auch Oblt. Lambrecht muß nach einigen zwischen 2 Tieffliegerangriffen gegebenen Anweisungen zur Kolonne zurück. Fw. Ließem verlädt mit dem Zug in 3 Stunden das Gerät. Es sind dies wohl die härtesten Stunden der vergangenen Tage. Bomben und Artillerie beackern den Strand. Ein Treffer zwischen die Floßsäcke bringt einige Floßsäcke zum Ausfall. Flieger greifen mit Bordwaffen an. Trotzdem wird das gesamte brauchbare Gerät noch verladen. Einiges unbrauchbare wird wegen Mangel an Laderaum zurückgelassen. Darunter die nicht mehr in Gang zu bringenden Motore 5 und 11.

Um 17,30 erreicht der Zug die Kolonne etwa 50 km landwärts Catona.

26. 8. 43 Ließem, Fw.