Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 28. August 1943
28. August 1943
Meine liebste, beste Elsbeth!
8 Briefe habe ich nun schon geschrieben und dies ist der Abschluß meiner heutigen Schreiben. Erst wollte ich mich mal rein machen um dann Dir in „Freiheit“ schreiben zu können.
Zuerst einen herzlichen Sonntagsgruß Dir und Dorotheechen und dann vielen Dank für Deine letzten Schreiben. Gestern Abend kamen nämlich von Dir 3 Briefe an (15., 18. u. 21. August).
Zu den Bomben, ja was soll man da sagen? Kommen sie jetzt öfter ober bleibt der Angriff allein? Man weiß es nicht. Wir können uns ja gut helfen. Wir sehen schon am Tag von Weitem, woher sie ihren Weg nehmen. Bleiben sie links oder rechts von uns, braucht man nicht in Deckung. Kommen sie auf einen zu, legt man sich in den Straßengraben. Gestern kamen etwa 140 feindl. Bomber und Jäger in geschlossenem Verband eingeflogen, luden etwa 2 km von uns ihre Ladung ab und flogen geschlossen wieder seewärts. So geht das jeden Tag. Nur heute am Sonntag waren sie bis jetzt noch nicht da. Aber, wie gesagt, man sieht die Fahrtrichtung und kann sich vorsorgen. Da habt Ihr es in der Stadt ja nicht so gut.
Wenn ich denke, daß Du so gerne Zitronen hättest! Wo wir an der Straße von Messina auf dem ital. Ufer lagen, lagen wir in einem Zitronengarten mit etwa 60 – 80 Zitronenbäumen, die voller Früchte hingen. Niemand pflückte sie, weil keiner mehr da war.
Tante Gretchen muß ja ein wahrer Engel sein. Wenn ich nochmal nach Godesberg komme, müssen wir sie mal besuchen. Aber, an den Kaffeetisch hätte ich mich auch noch gerne mit herangesetzt. So ein Stück Kuchen muß doch was Herrliches sein. Bei Pflaumentorte läuft mir das Wasser im Munde zusammen. Und Du hast schön von mir gesprochen, sodaß Tante Gretchen sogar darauf aufmerksam wurde. Wenn ich sie mal besuche, werde ich . . . na, dann sollst Du wieder mal Eier bekommen.
Thermalbad! Hier nennen sie Heilquellen, ob warm oder kalt, Thermen. Z.B. unsere Godesberger Quelle ist in diesem Begriff auch eine Therme.
Von Fritz bekam ich gestern einen Brief, den ich eben beantwortet
habe. Er spricht groß von den Bombenangriffen und der „Wiedervergeltung“! Aber er schreibt ganz nett. Es ist einem komisch zumute, wenn man denkt, daß einer, der so kindlich schreibt, Soldat ist und den Auftrag hat, zu töten. Menschen wie er, wie ich und andere.
Philipp Schugt ist also gefallen, er der als Letzter von uns eingezogen wurde, mußte so schnell daran glauben. Ketty und die Eltern tun mir ja leid. Er war ja der Eltern ein und alles, ganz abgesehen von Ketty und den Kindern. Was soll man da nun sagen?
Dorotheechen geht in den Kindergarten, „härtet“ sich im kalten Wasser ab, geht, wie ich von Vater hörte, schon allein Besorgungen machen. Ich glaube, wenn ich mal komme, finde ich nicht mehr unser liebes, süßes, kleines Dorotheechen, sondern ein selbständiges Mädchen. Nun, hoffentlich wird sie schnell groß, damit sie Dir mal eine Entlastung werden kann.
Daß Du es jetzt mit dem Erbrechen wieder so stark hast, ist ja zu dumm. Kaum ist ein Teil vorüber, setzt das andere ein. Es ist ja fast, als ob in Deinem Körper irgendein böses Wesen rund ginge und ein Organ nach dem anderen abwechselnd störte. Hoffentlich wird mal wieder alles gut und wir können in Frieden und in Gesundheit unser Leben weiterführen so wie es uns vorschwebt. Wenn nur dieser Krieg mal vorbeigeht, Du wieder Ruhe, Essen und mich hast, wird es doch, hoffe ich, auch mit Dir besser werden. Ich kuschele mich mal ganz in diese Hoffnung
und küsse Dich leise und innig auf Deinen lieben, lieben Mund.
Ich bin immer
Dein Hannes