Johannes Ließem an seine Tochter Dorothea, 9. September 1943
9. September 1943
Mein liebes Dorotheechen!
Am 19. September sind Mutti und Vati 6 Jahre verheiratet — Mann und Frau.
Das ist so ein schöner Tag für uns alle drei, daß Du an diesem Tag recht lieb und artig zur Mutti sein mußt. Ich weiß, Du bist ja auch sonst lieb. Aber an diesem Tag mußt Du besonders und ganz, ganz, ganz lieb zur Mutti sein. Da mußt Du vorerst einmal morgens ein paar Blümchen besorgen und Mutti geben. Dazu machst Du ein feines Knixchen, gibst der Mutti ein Küßchen und hälst sie ganz fest lieb. Dann sagst Du, „Liebe Mutti, wo Du heute so einen schönen Tag feierst, will ich heute ganz besonders lieb sein!“
Des Nachmittags mußt Du in Deiner Spielecke einen feinen Kaffeetisch decken und dazu ladest Du dann die liebe Mutti ein. Vielleicht gibt es auch bei Mutti einen schönen Kaffee.
Denke, daß, wenn Vati und Mutti nicht geheiratet hätten, dann mein liebes, gutes Dorotheechen garnicht auf der Welt wäre.
So, und nun denke daran, was ich geschrieben habe. Ich gebe Dir ein ganz feines Küßchen auf Dein Mündchen.
Wenn ich nochmal in Urlaub komme, bringe ich Würstchen mit. Dann kannst Du, mein liebes Dorotheechen, einmal ein großes Stück Würstchen haben und essen, wann Du willst. Da brauchst Du noch nicht einmal Brot zu zu essen.
Ich grüße Dich und auch die liebe Mutti und bin immer
Dein Vati.