Hannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 19. Februar 1944

19. Februar 1944

Meine liebe Elsbeth!

Nun bin ich wieder bei der Kompanie. Die Fahrt war eine ziemlich dolle Angelegenheit. Als ich vorgestern Abend bei der Kompanie ankam, lag sie gerade im infanteristischen Einsatz (Landekopf). Ich fuhr, nachdem ich meine Briefe, ein schöner reicher Segen, wie mich dünkte, in Empfang genommen hatte, zum Komp.-Gefechtsstand. Dort sagte man mir, es war eine alte Hütte, die Kompanie habe 70 Ausfälle und würde gerade herausgezogen. Ich wartete nun auf den Chef und benutzte die Zeit die Briefe zu lesen. Als ersten nahm ich einen Brief von Anna vor. Als ich ihn aufmachte, fiel mir ein Totenzettel entgegen und das Bildchen darauf zeigte mir unseren Klaus [der Bruder war Sanitäter in Russland]. Meinen Schrecken über diesen ersten Brief kannst Du Dir vorstellen. Ich ließ, um besser lesen zu können, das Feuer im alten Kamin etwas schüren. Aber die aus dem Schornstein fliegenden Funken ließen direkt einen „eisernen Regen“ ums Haus niedergehen. Unser Klaus ist nicht mehr. Alles Abgebrühte, Rohe oder Hartgesottene, fällt von einem ab, wenn es einen so nah trifft. Was man in dieser Beziehung schon mal gesagt oder gedacht hat, tut einem leid. Der arme Vater, was macht er nun bloß. Es ist zu schrecklich. Ich habe danach alle Deine Briefe gelesen, das von Dorotheechens Namenstag usw. und immer sehe ich das Bildchen von Klaus mit dem schwarzen Rand zwischen den Zeilen.

Sehr schön hat ja der Hauptfeldwebel von Klaus geschrieben. In kurzen Worten hat er sich so ähnlich ausgedrückt wie s. Zt., ich meine bei seiner Ansprache anläßlich der Beerdigung von Willi Mohren. Der Brief ist wie ein Vermächtnis und Vater soll ihn gut aufheben. Freilich hat er damit Klaus

nicht wieder.

Ich selbst habe mich sehr gut erholt. Vor allen Dingen bin ich dicker geworden, brauche nicht mehr zu brechen, habe keinen Durchfall, kann alles wieder essen. Es ist mir, wie in meinen besten Tagen. Kann ich aber auch gebrauchen, denn die nächste Zeit werden wahrscheinlich an Körper und Nerven einige Ansprüche gestellt werden.

Die Kompanie hat in den letzten Wochen sich ganz tadellos bewährt. Die gestellten Aufgaben, die z. T. recht schwierig waren (Infanteristisch, Stoßtrupptätigkeit) wurden vorbildlich erfüllt. Leider haben wieder viele gute Kerle dran glauben müssen, die von ihren Eltern genau so betrauert werden, wie Klaus. Da bin ich schon wieder bei Klaus angelangt. Gestern und heute den ganzen Tag „Klaus“! Morgen muß ich aber wieder einen klaren Kopf haben.

Nun, liebe, liebe Elsbeth, danke ich Dir für Deine lieben, lieben Briefe und grüße und küsse Dich recht herzlich.
Dein Hannes.