Hannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 17. März 1944
17. März 1944
Meine liebe Elsbeth!
Eine Menge Briefe von Dir sind bei mir eingetroffen. Vom 9. 2., 16. 2., 18. 2., 21. 2., 2. 3. Daß Du mein Päckchen von San Martino nicht bekommen hast, ärgert mich gewaltig. Es war für Dich ein Marterl drin, ähnlich dem, wie Ihr zu Hause eins habt und für Dorotheechen ein geschnitztes Figürchen. Vor allem hatte ich dir aber einen langen, langen Geburtstagbrief beigelegt. Aus Deinen Briefen spricht eine laufende Besorgnis. Die darfst Du nicht haben.
Ich bin ganz ehrlich, wenn ich sage, mir fehlt nichts mehr körperlich. Ich fühle mich wieder vollkommen gesund. Glaube nicht, daß ich Dich damit nur trösten will. Es ist tatsächlich so.
Das Autogramm Wilma Sturm hatte ich tatsächlich vergessen. Hoffentlich kommt es nicht abhanden. Vielleicht wird es einmal unser „wertvollstes Stück“. Von Kampmann habe ich, als wir noch bei Nettuno eingesetzt waren soviel von einem Uffz., der mit ihm zusammengewesen ist gehört, daß es ihm ganz gut geht. Dein „eisernes Sparen“ in allen Ehren, aber da komme ich zum Schluß noch drauf.
Deine Erzählungen um Dorotheechen freuen mich immer mächtig. Über die neugefaßten, aber doch sicher bald wieder vergessenen Vorsätze, was sie erzählt, ihre „Wintersportsucht“ usw. Aber, was mich sehr bedrückt hat, ist Dein letzter Brief. Wie kannst Du nur fragen, ob mir Dies oder Das recht ist?! Nimm meinetwegen das ganze Geld, das wir haben und gehe in ein Sanatorium. Suche Dir das beste aus. Bleibe so lange Du willst, nur, liebe, liebe Elsbeth werde mir wieder gesund. Ich bin so erschrocken gewesen, als ich das las. Wie kannst Du erst noch eine Antwort wegen des der Kosten abwarten. Du mußt doch wissen, daß ich Dich
wieder gesund haben will. Wie gern möchte ich nach dem Krieg ganz ohne einen Pfennig, ohne Stellung von vorne anfangen, nur Du mußt wieder gesund sein. 6 Wochen werden auch wohl kaum genügen, gehe länger, nur werde gesund. Ich darf gar nicht daran denken, wie schlimm es mit Dir steht. Werde gesund, gesund. Tue alles. Denke nicht an das Kind, gib es irgendwohin und wenns das Waisenhaus ist. Es muß eben einige Monate gehen. Denk’ daran, wenn Du mal ganz krank wirst, wirst Du es für eine viel, viel längere Zeit ver missen müssen und das wäre doch viel schlimmer. Wenn ich bedenke, daß ich mich jahrelang an [in] mancher komischen Lage befunden habe, in den letzten Wochen in einer durchweg eisenhaltigen Luft gelebt habe und alles dies überstehe und sollte, wenn mal alles aus sein, vor etwas Schlimmen zu Hause stehen!! Ich glaube, wenn ich das bestimmt wüßte, geschähe mir mal etwas. So hält mich aber immer noch das Zuhause aufrecht und froh. Und in einer solchen Stimmung passiert einem nicht so leicht was. Liebe, liebe Elsbeth, tue alles, was in Deinen Kräften steht – aber werde mir gesund. Eines könntest Du dabei machen. Laß Dir vorher lediglich eine Bescheinigung schreiben, daß Du in ein Sanatorium mußt. Welches ist ganz egal. Am Ende der Behandlung läßt Du Dir vom Sanatorium eine Rechnung ausstellen. Es ist möglich, daß ich einen Teil von der Wehrmacht vergütet bekomme.
Und nun, liebe Elsbeth, gebe ich Dir einen innigen Gutenachtkuß und wünsche mir dabei sehnlich, daß es wieder bald, nachdem Du im Sanatorium bist, mit Dir besser wird.
Ich bin immer
Dein Hannes.
Noch eins. Denke nicht zuviel über Klaus nach. Du hilfst ihm nicht damit. Und er würde betrübt sein, wenn Dich Deine Trauer um ihn zu arg mitnähme. Er ist nicht nur fürs Vaterland, sondern als Christ auch als echter Christ gefallen. Wir müssen nicht weinen, sondern ihn verehren.