Hannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 24. März 1944

24. März 1944

Meine liebe Elsbeth!

Wieder 2 Briefe von Dir und das 3. kleine Päckchen. Jetzt ist noch 1 größeres Päckchen, von dem Du schriebst, ausständig. Recht herzlichen Dank für den reichen – vor allen Dingen Brief-Segen. Nun sollst Du aber auch von mir mal etwas bekommen. Ich habe schon was besorgen lassen. Eine Tüte, ich schätze ½ Pfund Pfeffer, einige Bläschen [kleine Tüten] Eierpulver und Backpulver. Dazu Lorbeerblätter. Diese wachsen hier als immergrüne Hecke vor dem Haus. Ich habe eine Portion pflücken lassen, die aber erst noch etwas antrocknen müssen. Wenn ich sie so ganz frisch verschicke bin ich bange, sie verschimmeln unterwegs durch die Feuchtigkeit. Ob es sich bei dem Pfeffer um echten – oder Kunst-Pfeffer handelt, kann ich nicht sagen. Teuer genug war er für richtigen, aber die Brüder Italiens besch… einen, wo sie nur können. Der Schwarzhandel blüht ja – da sind die Deutschen Waisenkinder gegen. Z. B. ein Liter

Olivenöl kostet regulär gegen Marken 2,- RM, hintenherum aber 40,- RM.

Anliegend nochmal ein paar Päckchenmarken. Das soll aber kein Andäu sein. Du brauchst mir nichts zu schicken, was Deinen Lebensmittelstandard schmälert – ich habe genug. Höchstens könntest Du mir nochmal ein Buch schicken.

Daß das Öl von Teuchels gekommen ist, freut mich.

Auch hier zieht der Frühling mächtig ins Land. So viele Blumen, die bei uns sorgfältig gezogen werden, wachsen hier in Unmenge wild. Von den großen, starkduftenden Veilchen schrieb ich Dir ja schon. Jetzt ist das Gelände übersäht mit wildwachsendem Krokus, blau, lila, rot, violett und weiß. Lediglich die gelben habe ich noch nicht gesehen. Auch wir verändern uns. Wir ziehen mal wieder eine neue Farbe an und ich freue mich schon darauf, die alte „liebgewordene“ Feldgraue an mir zu sehen.

Du schreibst von unserer Fahrt mit der Kutsche.

Auch ich denke mit Sehnsucht daran zurück. Inzwischen sind nun schon wieder 2 Jahre ins Land gezogen. Ich rechne allerdings garnicht mehr mit Jahren, sondern nur in Etappen; z. B.: Minden, Berlin, Italien, Sizilien, Italien (Volturno), Weihnachten daheim, Erholungsheim, Nettuno. Es sind einem geläufigere Begriffe, als wenn man sagt: Am 17. Januar 1943. Übrigens: Bad Memmingen ist ein guter Kurort im Allgäu (ich glaube wenigstens Allgäu). Der Vater von Frau Schepping war öfter da und wollte immer wieder nur nach Memmingen. Sein Herz war nachher so gesund, daß Herr Schepping lange Zeit auf die Erbschaft warten mußte oder sogar heute noch wartet. Wie es allerdings gesellschaftlich dort bestellt ist, weiß ich nicht. Hoffentlich wirst Du nur gesund da, dann mußt Du mal eben auf das „große Leben im Bad“ verzichten. Hauptsache, Du wirst uns wieder gesund. Aber so denkst Du ja wohl auch, nicht

wahr, „Kleine“? Weißt Du noch, als ich das mal gesagt haben soll. Über die wirkliche Tatsache des angeblichen Ausspruchs streiten wir uns heute ja noch. Nun hast Du es aber mal blau auf weiß. – Aber Du bist ja auch kleiner geworden. Meine liebe „Kleine“ – meine „große“ Liebe.

Also, unsere Tochter spielt schon „Braut“. Hoffentlich komme ich noch vor ihrer Hochzeit aus diesem Krieg mal wieder heim.

Vor einigen Tagen hatte ich alte Minenpläne vorliegen und traf dabei auf „Deine Sperre“ – Elsbeth. Ob sie inzwischen ihren Zweck erfüllt hat?

Nun wurde ich aufgehalten und komme nicht wieder richtig rein. So grüße ich Dich recht herzlich und gebe Dir einen festen, innigen Kuß.
Dein Hannes.