Hannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 26. März 1944
26. März 1944
Meine liebe, liebe Elsbeth!
Sonntag ist’s heute. Die Div Der Divisionskommandeur hat für den ganzen Tag dienstfrei befohlen. Den Morgen habe ich dazu benutzt, meinen holden Körper in meine Marmor-Badewanne zu legen. Über der Wanne befindet sich eine ausgemalte Halbkuppel, das Zimmer selbst ist vollständig ausgemalt. Es ist so schön, in der warmen Wanne zu liegen, die feinen Äderchen in dem weißen Gestein mit den Augen zu verfolgen, die Bilder an der Decke zu betrachten und mit dem Nagelbürstchen zu spielen.
Nachher habe ich dann frische Wäsche angezogen, einen anderen Pullover und nun hoffe ich, daß ich läusefrei bin. Mein ganzer Körper ist zerstochen von diesen anhänglichen Tierchen. Nach Mittag – zu Mittag gab es Kaninchen mit Salat – haben wir zu 3 Kameraden uns einen Tisch in die Sonne draußen hingestellt und einen geruhsamen Skat gespielt. Anschließend
bin ich mit meinen Kameraden zur le.Pi.Kel. – etwa 400 m – „gewandert“ und wollten den Oberschirrmeister Kemp – Du hast ihn damals in Berlin kennengelernt – besuchen. Er lag gerade wieder an einem Malariaanfall, den er regelmäßig alle 4 Wochen hat, in seinem Himmelbett. Der Himmel besteht – wenn auch nur zum Teil – aus schwerem Damast. Das Schlafzimmer selbst ist mit Fresken bemalt. Es ist auch eins der netten Schlößchen, von denen ich Dir schrieb – mit Park, Goldfischteich, antiken Gartenfiguren usw. Weiter kann ich noch nicht spazieren gehen, da ich immer noch keinen Stiefel an meinem linken Fuß vertragen kann. Ich latsche dauernd in meinen Sandalen. Ich hoffe aber, daß ich übermorgen wieder Stiefel tragen kann. Die Päckchen an Dich sind abgegangen. In einem ist der Pfeffer, Eier- und Backpulver, in dem kleineren die Lorbeerblätter.
Abends unt Wir liegen nun zu Dritt im Verwalterhaus. Der Chef und ich – das schrieb ich
Dir ja schon mal. Nun ist noch ein Leutnant (Zugführer) neu zu uns gekommen. Er hat mal eine Zeitlang die Brüko geführt und soll jetzt Pionier lernen. Er hat keine Lust zum Umlernen. Ist ein ganz, ganz kleiner Mann (figürlich) aber ein prächtiger Unterhalter. Er ist in meinem Alter, aus ziemlich altem Adel – Freiherr von Gemmingen – hat am Neckar ein nettes Schloß und eine anständige Besitzung (Obstplantagen). Gestern abend erzählte er von seiner Maschine. Vor dem Krieg hatte er ein kleines Sportflugzug und ist damit kreuz und quer über Ungarn, Österreich und Deutschland geflogen. Nette Episoden erzählte er in einer munteren Art. Augenblicklich sitzt er auf dem Kaminpodest und schaut ins Feuer. Die Leute hier haben nun Öl, Gemüse usw., was sie haben wollen. Nur wenig Schweine- und Rindfleisch. Dafür gibt’s aber oft Kaninchen, Lamm und ähnliche freien Fleische. Sie machen
das Essen aber meist so lieblos. Z. B. Kaninchen. Sie ziehen dem Kaninchen das Fell über die Ohren, nehmen das Innere aus, legen das Tier auf ein Brett, hacken es mit einem Hackmesser in 20 Stücke. Dann kippen sie eine halbe Pfanne halb voll Öl, schmeißen die Fleischstücke mit den zersplitterten Knochen in die Pfanne, tun Kartoffeln dazu, etwas Salz und das Ganze kocht nun in dem Öl gar. Ja sicher, es schmeckt besser als Graupensuppe; aber wenn ich an ein von Frauchen zubereitetes Kaninchen mit einem Fünfzehntel des Fettes denke, läuft mir beim Gedanken an das Kaninchen von Frauchen das Wasser im Munde zusammen. Kartoffel gibt es übrigens selten in Italien. Am liebsten essen sie zum Gemüse, zu Salat, zu Fleisch ihr Brot. Sie bedauern uns Deutsche, daß wir in Deutschland soviel Kartoffeln essen „müssen“.
Als Suppe gibt’s vor dem Mittagessen nur zweierlei. Nudelsuppe oder Brot. Das Brot ist einfach mit etwas Gemüseblättern in
Öl aufgeweicht und warm gemacht. Als Gast darf man natürlich nicht Brrr sagen und muß das Zeug herunterwürgen. Gut ist’s, wenn es nach dem Essen noch Käse gibt. Entweder eine Art Holländer oder eine Art Klatschkäse [Frischkäse] gibt’s dann. Aber aus Schafsmilch zubereitet. Aber schmecken tut’s, sogar gut.
Ferner, wenn ich an unseren Blumenkohl zuhause denke. Und hier, hier haben sie unübersehbare Blumenkohlfelder. Der Kohl ist jetzt gerade richtig, noch schön zart. Sie nehmen nun solch einen Kohl, hacken ihn einschließlich der grünen Blätter kaputt und schmeißen ihn ins übliche „Ölbad“ bis er gar ist. Dann wird er so gegessen mit einer Scheibe Brot dazu. Ich denke mir dann im Geiste Deine schöne gelbe Sauce dazu.
Nach diesen lucullischen Gedanken