Elsbeth Ließem an ihren Mann Hannes, 2. August 1944

Mittwoch, 2. August 44

Mein herzlieber, bester Hannes.

Seit letzten Donnerstag, dem Geldbrief, habe ich Dir nicht mehr geschrieben; ich dachte immer, bald eine neue Adresse zu erfahren, nachdem nun der Lehrgang beendet ist. Aber nun kann ich es wirklich nicht mehr aushalten, ich muß meinem liebsten Mannchen einmal schreiben, auch wenn der Brief nicht ankommt. Meine Sehnsucht nach Dir kann ich Dir kaum schildern. Und ich bin so ganz darauf eingestellt, daß Du nach dem Lehrgang, wenn auch nur kurz, einmal nachhause zu Frauchen kommst, daß ich schon Nacht für Nacht zwischen 12 – 2 Uhr, wenn Du gewöhnlich kamst, nach draußen horche, ob ich Deinen Schritt höre. Und wenn es anders kommt?

Das darf garnicht sein, ich will nicht daran denken. Ich wüßte nicht, wie ich mit dieser Enttäuschung fertig werden sollte. Ich weiß ja, daß Urlaubssperre ist – aber vielleicht auf der Durchreise – – ? Wenn aber alles nicht klappt, so kommt Ihr doch gewiß über Köln, und der Zug hält dort sicher. Den Tag müßte ich wissen, ich käme dorthin. Zu denken, Du kommst von Holland, fährst hier in der Nähe vorbei nach Italien, und ich sehe Dich nicht, vielleicht auf lange Zeit nicht mehr, dann möchte ich heulen.

Meine Gedanken sind immer bei Dir und an den schönen Pfingsttagen. Wie fein waren diese Tage, Sonne am Himmel und Sonne in unsern Herzen. Wie schön wird es mit uns beiden werden, wenn der Krieg gut beendet ist. Ach, wenn das doch nur bald geschehen würde!!

Wenn Du wieder immer hier sein wirst, wird für uns immer die Sonne scheinen, mag es auch draußen regnen und schneien. Und wie viel Freude bringt uns unsere Gemeinsamkeit, Du mein lieber, lieber Hannes. Wenn man sich das ganz ausmalt - - - Ich bin fest davon überzeugt, daß sich meine Gesundheit dann sehr viel bessern wird. –

Gerade fällt mir etwas ein, wie konnte ich dies bis jetzt vergessen. Eigentlich paßt es nun garnicht hierher, aber ich muß es doch schreiben. Es ist etwas Trauriges. Aber ich denke jetzt immer mit solcher Freude u. Erwartung an Dich, daß das Traurige garnicht mehr so ganz von mir Besitz ergreifen kann.

Tante Gretchen im Lenkert ist nun doch gestorben und heute beerdigt worden. Für Onkel Karl und die Kinder ist es recht traurig. Ich habe auch in Deinem Namen geschrieben u. einen schönen Kranz geschickt. –

Margot Caspari war Samstag bis Montagmorgen hier. Es war ein schönes Wochenende mit einem wohltuenden Gedankenaustausch. Margot ist doch ein armer Kerl, trotzdem hat sie noch ein solch frohes Herz, daß ich sie bewundern muß. Sie und ihre Eltern haben alles verloren in Köln. Außerdem, und dies ist das Schlimmere, ist ihr Bräutigam, ein Arzt, gefallen. Ihr erster Verlobter verunglückte vor dem Kriege tödlich. Weißt Du, ich komme mir dann immer so reich vor, und dann fürchte ich, dies würde die andern schmerzen. Deshalb möchte ich dann einen Schleier über mein Glück werfen und kann es dann doch nicht verhindern, daß mir das Glück aus den Augen strahlt, wenn ich von Dir, meinem liebsten, besten Freund, erzähle. – Aber Margot freut sich richtig mit uns, daß wir uns so gut verstehen. Übrigens hat sie mir auch ein Döschen Zigaretten für Dich u. eine Fl. Wermutwein für mich gegeben,

das ich Dir aber erst dann schicken möchte, wenn ich eine zuverlässige Adresse habe. –

Und nun, mein lieber, lieber Hannes, küsse ich Dich innig und umarme dich tausendmal,
Deine Elsbeth.