Oberfeldwebel Schmutte an Elsbeth Ließem, 23. November 1944
O.U. den 23.11.44
Sehr verehrte Frau Ließem!
Ihren Brief vom 11. November 44 habe ich mit Dank erhalten.
Es freut mich ganz besonders zu lesen, daß Sie mein Päckchen mit der Erde vom Grabe Ihres geliebten Mannes erhalten haben. Ich hatte schon befürchtet das es verloren gegangen wäre. Wurde dadurch bestärkt, da ich selbst auch keine Post erhielt von zu Hause. Ich selbst, vielmehr meine Mutter und Schwester wohnten ja in Köln. Sie erhielten von mir und ich von ihnen über 7 Wochen keine Post. Meine Angehörigen wohnen jetzt in Niederschlesien.
Besitzen tun sie auch nichts mehr, aber sie sind am Leben geblieben.
Meine Frau Mutter hat es gut angetroffen, sie selbst schreibt, daß sie sich schweren Herzens von der Heimat getrennt hätten.
Sehr verehrte Frau Ließem, ich will Ihnen die letzten Stunden und seine Worte mitteilen. Aber verstehen Sie: es fällt mir ebenfalls schwer Ihnen das Mitzuteilen. – Weil ich weiß, liebe Frau Ließem, daß Ihnen jedes Wort sehr schmerzt und unsagbar weh tut. – Aber wiederum möchte ich Ihnen die letzten Worte und Wehen nicht vorenthalten.
Hannes kam damals vom Offz.-Lehrgang zurück. Auf der Bahnfahrt bekam er sehr große Schmerzen in der Magengegend. Und dies verschlimmert sich von Tag zu Tag, bis sie kurz ausgeladen wurden. Und begab sich sofort in das Lagerrevier. Hier glaube ich lag er noch 2 bis 3 Tage. Dann wurde er zur S.B. 2 H.G. eingeliefert. Glaube noch am gleichen Tag wurde er operiert und sein Blinddarm platzte ihm. Nach dieser Operation schwebte er zwischen Tod u. Leben. Man holte seinen Eiter durch ein Glasröhrchen heraus. Nach, ich glaube 6 Tagen ging es ihm wieder besser. Das merkte man daran, daß er einen der Besucher, Stbsfw. Garll bat, er möchte ihm doch etwas zum lesen mitbringen. Was wir auch taten. Hannes hat ja für sein Leben gern gelesen. Er lag auf einem Zimmer zuerst alleine. Nachher gesellten sich noch ein Kamerad dabei. Dieser verstarb in der Nacht noch.
Ich glaube es wiederholte sich noch zweimal derselbe Fall. Aber Hannes war bei der besten Laune geblieben. –
Dieser Bericht den ich bisher schreibe, habe ich durch Fragen und erzählen der Kameraden entnommen. Und ich glaube, das hat Ihr lieber Mann Ihnen noch geschrieben?
Meinen Besuch hatte ich schon durch Kameraden bei ihm ansagen lassen. Der Tag kam und ich machte mich auf um zu ihm zu gelangen; Ging ich zuerst in das beschriebene Lazarett! Als ich dort ankam, wurde mir mitgeteilt das Armeelazarett sei ausgezogen und eine neue Dienststelle war beim Einziehen. – Traff noch einige Landser vom alten Lazarett und frug sie, ob sie den Fw. Ließem gekannt hätten. Was sie bejahten. Weiter erfuhr ich, sie seien abtransportiert worden. Einem Landser fiel es ein, das Hannes mit der Sani-Ju. abtransportiert wurde.
Jetzt kam für mich die schreckliche Nachricht. Die Sani-Ju wäre kurz nach dem Aufstieg von zwei bolsch. Jäger angegriffen und in Brand geschossen worden. – Sie können sich denken wie ich diese Nachricht aufnahm. – Erzählte weiter, daß 15 Mann sofort tod waren, aber 5 Mann mit schweren Verbrennung abgekommen seien, und der Hannes darunter sei. Sie wurden zum H.V.Pl. S.B. 2 H. Göring gebracht. – Nach diesem Gespräch begab ich mich nach dort. Und die schrecklichen Angaben stimmten. Mir wurde sofort erlaubt Hannes aufzusuchen. –
Als ich in den großen Saal kam lag er rechts. Als ich seinen Namen aussprach, erhob sich eine Hand und es war mein lieber Freund Hans. – Erkannte mich sofort. Er bat mich auf sein Bett zu setzen, was ich auch tat. – Konnte in den ersten Augenblicken nichts sagen. Weil ich sah wir es meinem Freunde zu Mute war. Da ich doch schon geglaubt hatte es sei alles gut gegangen nach der Operation und sah nun wie er so hart getroffen worden war. –
Er sprach: „Da wäre ich bald zu Hause gewesen lb. Schorch, sollte heute morgen nach Litzmannstadt gebracht werden, aber nun muß ich noch warten, hatte mich schon so gefreut
lb. Schorch, war wieder so auf der Höhe.“ Er hustete ein paar mal dazwischen. Ich bat ihn nicht soviel zu sprechen. Seine Lippen war auch sehr trocken. Ich frug ihn, ob er Durst hätte, waß er sofort bejahte. Hatte ihm ein paar Tomaten mitgebracht und bot sie ihm an, die ihm willkommend waren. Er aß zwo davon, das hat ihm wohl getan. – Nach einer Weile frug ich ihn wie das Unglück geschehen sei. Er konnte sich aber nicht mehr darauf zurück besinnen. Er wußte u. hatte nur noch den harten Aufschlag in Erinnerung. – Dann sprach er von Ihnen lb. Frau Ließem. Er hätte Ihnen schon von dem kommenden Abtransport in die Heimat geschrieben und nun würde doch nichts daraus, er hätte sich schon sehr drauf gefreut. – Dann kam der Arzt nach ihm sehen und sprach zu mir, er müßte nachher seinen Kopfverband erneuern. Hans hatte am Kopf, schlimme Schmerzen, rieß immer seinen Verband ab. – Seine Augen waren frei. Nur das rechte Auge war geschwollen. Die rechte Seite war mit Verbänden umwickelt. – Die Schnittwunde war auch noch offen. –
Dann sagte er mir noch, ich solle wenn ich nach Hause käme, an Sie schreiben. Ich soll Ihnen aber nicht schreiben, daß es ihm schlecht ginge, ich wüßte schon was ich Ihnen schreiben würde. Ich versprach ihm dies auch zu tuen. – Nach diesem Gespräch war er ziemlich zerstört, seine Augen verdrehten sich ein paarmal und sprach einige Worte, die ich nicht verstand. – Als ich Abschied nahm, war er wieder voll da und erinnerte mich nochmals an das Schreiben an Sie. Sagte ihm, morgen würde der Fw. Hentrich ihn besuchen kommen und ging damit nach Hause.
Beim Arzt sprach ich nochmals vor und bat ihn um eine Antwort, wie es um Hannes aussehe. Er sagte mir es sei schlecht und befürchtete die schlimmsten Folgen. Sagte weiter, das seine Brandwunden im 3. Grade seien und da würde selten jemand durchkommen. – Konnte es selbst noch nicht glauben, da ich mir sagte, Hannes hat das andere durchgehalten, so wird er das auch noch schaffen. – Aber leider erhielt ich am anderen Tage die Nachricht er sei geschieden von dieser Welt, nach meinem Besuch.
Sie können mir glauben das die Nachricht über den Tod Ihres geliebten Mannes mir nicht leicht war. – Zudem ich an Sie den Brief schon abgesandt hatte. Aber was sollte ich machen, ich versprach es und hielt es auch.
Er wurde auf dem Heldenfriedhof Radom beigesetzt. Nun kann ich Ihnen leider nicht berichten, ob ein Geistlicher dabei geweßen war. Zu der Beisetzung konnte ich nicht zugegen sein, da ich zum Btl. nach voren mußte. – Ging zwo Tage später zum Grabe Hannes und stellte mit noch drei Kameraden unser selbst gemachtes Kreuz auf. Sollte ich nochmals in Verbindung mit dem Gräberoffizier kommen, werde ich mich erkundigen und Ihnen Bescheid tuen.
Als ich den Sand vom Grabe Ihres Mannes nahm, war die Umbettung der Kameraden unserer Division vollzogen. Die jetzige Grablage ist viel besser als die zuvohrige. Jetzt liegen unsere Soldaten u. Männer auf einem Abschnitt allein. Ich finde dies als schön.
Mit den Wertsachen lb. Frau Ließem, da kann ich nichts mehr unternehmen. Die Nachlaßsachen mußte das Lazarett besorgen. Ich kann nicht begreifen, daß es Menschen gibt, die sich an solchen Sachen vergreifen. Es ist verwerflich und geziemt sich nicht für einen Menschen von Kultur. Da kann ich Ihnen leider nicht behilflich sein, daß tut mir sehr Leid. Hat Ihnen nicht die Kompanie geschrieben, der Ihr geliebter Mann zuletzt angehörte? – Hannes wurde noch nach seinem Tode zum Oberfeldwebel befördert? Wissen Sie das?
Ich danke Ihnen vielmals für das Bild von Hannes. Sie haben mir dadurch eine sehr große Freude gemacht. Ich werde es in Ehren aufbewahren und mich des öfteren an ihn erinnern.
Mit den Bildern werde ich Umschau halten und sehen das ich sie bekommen werde lb. Frau Ließem.
Ich möchte Sie noch auf eines Hinweisen sehr verehrte Fr. Ließem. In unserm Korps gibt es den Kameradschaftsdienst, der dann eintritt wenn Kameraden schwer verwundet sind oder für gefallene Kameraden. Besonders da Ihr Mann noch sein lb. Töchterchen hinterlassen hat und und noch nicht das 16. Lebensjahr erreicht hat. – Weis nun nicht, ob die Dienststelle wo Ihr Mann angehörte, Sie darüber benachrichtigt hat?
Kameradschaftshilfe:
„Ich darf Sie auf die Kameradschaftshilfe“ hinweisen, die von Herrn Kommandierenden General des Fsch. Pz. Korps H. Göring eingerichtet ist, und die für ihre unversorgten Kinder, soweit sie das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine besondere Hilfe vorsieht. Ich bitte Sie deshalb, dem Betreuungs-Offizier des Fsch. Pz. Korps Hermann Göring, Berlin-Reinickendorf, Spandauerweg 42, unmittelbar Ihre genaue Anschrift mitzuteilen, der sich dann mit Ihnen in Verbindung setzt.“
Ich empfehle Ihnen sehr verehrte Fr. Ließem, diese Kameradschaftshilfe zu Beanspruchen. Da diese Kameradschaftshilfe von allen Soldaten des Korps H.G. gesteuert wird.
Ich hoffe, sehr verehrte Fr. Ließem Ihnen im weitesten Sinne geholfen zu haben, und bitte Sie, wenn sich noch einige Fragen ergeben, mir selbst die Ehre geben diese nach meinem ermessen lösen und Beantworten zu dürfen.
Ich grüße auf das Herzlichste Sie
Ihr Schmutte
Anhang:
Am 29.8.44 wurde die Sani-Ju von zwo Sowj. Jägern, gegen 10,30 Uhr in 80 m Höhe abgeschossen.
Schmutte
O.Feldw. Georg Schmutte
L 49282
Lg. Pa. Posen