Toni Roos an Sohn Gustav, Ende Oktober 1939
Mein lieber Gustav!
Wann geruht der Herr Funker mir eigentlich auf mein letztes Schreiben zu antworten? Oder haben dich die darin enthaltenen Rm 2,- so in Aufregung versetzt, daß du einen Schreibkrampf bekommen hast, oder sollte dich vielleicht die letzte Löhnung so angegriffen haben? Von der Kanaille Günther höre ich auch nichts mehr, wenn der sein Geld im Voraus hat, ist der sehr reserviert, schreiben tut er überhaupt ja nicht gerne. Was willst du nun eigentlich machen? Hast du dich entschieden? Willst du studieren, oder möchtest du nach Polen? Wie denkt man bei euch über den Krieg? Ich persönlich habe das Gefühl als ob sich hier etwas tuen würde, denn in der letzten Woche rollt hier ein Material an, daß man sich fragen muß, wo das Zeug alle herkommt. Zur Zeit wird an vorderster Front nach Frankreich zu gebaut 3 km von der Grenze ab, dabei wird das Material auf einer Zufahrtstraße die zum größten Teil etwa 500 m. vor der Grenze abbiegt angefahren. Man kann von dort aus die französischen Posten sehen und umgekehrt die uns auch, denn die anfangs aufgestellte Straßentarnung ist längst umgefallen und auch nicht wieder aufgerichtet worden. In dem Grenzort Perl bestellen die inzwischen zurückgekehrten wieder ihre Felder. Wenn
man nicht ab u. zu mal die Flak böllern hörte, sollte man meinen es sei tiefster Frieden. Gestern Mittag hat über Trier ein Luftkampf stattgefunden, es war ein Engländer, welcher von 3 deutschen Jägern gejagt wurde, als ihm die Sache unangenehm wurde und er merkte, daß ihm von den deutschen Maschinen der Weg nach Frankreich abgeschnitten wurde haute der Saukerl glatt über Luxemburg ab, war aber scheins auch die höchste Zeit für ihn denn eine unserer Maschinen bepfefferte ihn von oben.
Hier in Trier wird es jetzt ungemütlich wie jeden Herbst, entweder läuten die Kirchenglocken, oder es regnet, auf den Höhen um Trier hatten wir schon den ersten Schnee. Wo mögen wir dieses Jahr Neujahr feiern? Solltest du nicht da sein, so schicke ich dir u. a. auch 3 Pullen Champus, hab sie schon da liegen, sollst nicht zu kurz kommen.
Die Rede Molotows ließ ja nichts zu wünschen übrig, was mir darin besonders auffiel war die Stelle wo er in Humanität machte und zum Ausdruck brachte, daß eine Hungerblockade gegen Frauen Kinder u. Greise gleichbedeutend sei mit Bombenabwurf auf die Zivilbevölkerung. Meiner Ansicht gemäß werden wir bald Gelegenheit haben mal im Heldenkeller zu verschwinden, denn
es brauch ja nur mal einer aus Versehen so ein Ei fallen zu lassen, dann ist die Biesterei da. Wie ich aus guter Quelle erfahren habe, finden zur Zeit Verhandlungen zwischen Rußland u. Japan statt und zwar auf gleicher militärischer Basis wie mit Deutschland. Im Zusammenhang damit erfolgte auch die Abberufung des Japanischen Botschafters in Berlin, der nunmehr als Spezialist für Deutsche Verhältnisse in die Japanische Regierung eintreten wird. Schätzungsweise wird die Angelegenheit in 4. Wochen beendet sein. Alsdann steht eine Front Deutschland – Russland – Japan dem englischen Imperium gegenüber. Italien wird vorläufig aus wirtschaftlichen Gründen aus dem Spiel bleiben, da wir z. Zt. noch über Italien allerhand an Kolonialwaren u. vor allem Oele u. Treibstoffe bekommen. Die europäische Türkei wird von der Landkarte verschwinden, auch sollen die Russen den Persern ein Stück Türkei angeboten haben.