Gustav Roos an Bruder Günther, 28. August 1942

Russland, am 28.8.1942

Lieber Günther!

Über Deine Briefe, die in den letzten Tagen ankamen habe ich mich sehr gefreut. Leider konnte ich Dir nicht vorher schreiben. Am 9. August ging’s plötzlich los. In Märschen bis 60-70 km zogen wir durch glühende Hitze und den erstickenden Staub der Rollbahn. Am 16. morgens in strömendem Regen zum Angriff an. 3 Tage dauerte dieser Einsatz, ein harter Kampf um ein einziges, kleines Dorf. Uns gegenüber standen sibirische Elitetruppen aus Wladiwostock. Mehrere Male mussten wir wieder aus dem Kaff. 3 Tage im Regen, 3 Tage lagen wir im nassen Dreck. Auf den Höhen um uns in Bäumen und Heumieten sassen Scharfschützen. Jeder Weg musste robbend zurückgelegt werden. Ein Feuersegen der russischen Artillerie deckte uns ein, dass uns Hören und Sehen verging. Am dritten Tage abends gaben wir das Dorf entgültig auf und zogen uns über den Fluss zurück. Nach einem Biwak im Walde, dass wir am Morgen im Feuer der russischen Artillerie fast fluchtartig verliessen, griffen wir nachmittags schon wieder einen russischen Brückenkopf an. Mit Unterstützung von Panzern und Stukas flog der Russe über den Fluss zurück. Nun sitzen wir hier noch immer. In den ersten Tagen konnte Iwan sich noch nicht in die veränderte Situation schicken. Mit satt Arie und Panzern griff er täglich 4-5 mal an, es waren jedesmal harte Kämpfe.

Gott sei Dank kamen aber unsere Stukas regelmäßig, oft stundenlang ohne Pause ließen sie ganze Kubikkilometer Dreck in die Luft umhersausen. In den letzten 2 Tagen verhielt sich dann darauf Iwan ruhig, einfach unheimlich ruhig. Gestern Abend wurde dann vor uns wieder eine Bereitstellung erkann. Und nun ging ein Feuerzauber auf unserer Seite los. Unsere I.G., unheimlich viel Artillerie, „Orgel“ und „Wolf“ setzten Iwan derart zu, dass er seine Angriffsabsichten aufgab.

Der Russe hat gewaltige Verluste an Menschen und Material gehabt. Aber auch wir hatten nicht unerhebliche Ausfälle. Am 1. Angriffstag verloren wir innerhalb 24 Stunden 50 % unserer Leute. Daraus magst Du ersehen, wie hart die Kämpfe waren. Wir liegen im Abschnitt Wjasma-Rschew, das sagt ja auch einiges. Unser Rgt. wurde nach den ersten Tagen wieder einmal im Wehrmachtsbericht erwähnt. Man kann nur immer staunen, was der Russe noch an Unmengen von Material in den Kampf wirft. Überhaupt kommen alle Kämpfe immer mehr auf das heraus, was man als Materialschlacht bezeichnet, heraus. Solche Mengen an Artillerie und Kampfwagen sind mir aus dem Vorjahr ganz unbekannt.

Ja, und nun sitzen wir hier im eroberten Dorf. Am anderen Ufer des Flüsschens sitzt der Russe, nur 60-150 m entfernt.

Das hindert uns natürlich tagsüber an jeder Bewegung. Hinter einem Haus haben wir uns einen komfortablen Bunker gebaut. Hier wohnen wir beiden Funker mit dem Kompanieführer und 5 Meldern. Seit unser Bunker fertig ist, pflegen wir uns. Eine Kuh gibt uns täglich herrliche Milch. Honig gibt es soviel in den Gärten, dass ich keinen mehr sehen kann, frische Kartoffel, Gurken alles satt da. Mittags kochen wir uns selbst, mal Bratkartoffel, heute gabs Kartoffel mit Hammelfleisch und Gurkensalat. Für morgen haben wir 2 Büchsen Spargel erstanden, dazu dann Hammelkeule und saure Milch mit Zucker. Abends im dunkeln kommt unser Feldküchenessen ran, auch immer phantastisch, seit wir im Einsatz sind. Heute gab’s süße Nudeln mit Kirschen. Gestern Pudding, und nur Pudding und satt Pudding, vorgestern Reis. Während wir in den Angriffstagen ohne Rauchwaren sassen, kommen auch die jetzt wieder in Massen ran, dazu geistige Getränke, Cognac, Wein, Likör, die kalte Verpflegung befriedigt auch. Die letzten Tage gabs pro Mann sogar immer 2 Tafel Schokolade. Radio haben wir auch im Bunker. Also, was das Essen anbetrifft kann man’s aushalten. Und das Essen ist ja wohl auch die Hauptsache. Anders gibt es ja auch nichts für uns.

Im übrigen kannst Du mir zu einem neuen Orden gratulieren, ich bin heute „Ritter des Gefrierfleischordens“ geworden! d. h. des Abzeichens „Winterschlacht im Osten“. Nun kommt wieder regelmäßig Post von mir.

Trotz allem geht es mir noch immer ausgezeichnet. Uns kann eben gar keener, och nich eener!! Und wenn ich mich auch so nach allem sehne, was ich heute missen muss, ich möchte jetzt nicht hier heraus und bin stolz darauf hier stehn zu dürfen! Und nach solchen Tagen, sie waren bestimmt die härtesten und schwersten meines Lebens, da weisst Du erst, was überhaupt Leben ist, und das ganze Leben ist hier so einfach und unkompliziert. Aber wie gesagt nur nach dem Kampf, im Dreck drin hört man nur „Scheisse“ und unheimliches Fluchen! Du kannst Dir bestimmt auch nicht vorstellen, wie glücklich und stolz ich war, als ich im Angriff durch Granatwerferfeuer und Scharfschützenbeschuss stundenlang der Leitung entlang robbend, immer tief im Dreck, melden konnte, dass die Störung beseitigt sei.

Mutter habe ich natürlich nur andeutungsweise von dem ganzen erzählt.

Für heute nun Schluss! Demnächst mehr!

Ich wünsche Dir alles Gute und sende Dir die herzlichsten Grüße!

Heil und Sieg!
Gustav