Toni Roos an seine Frau Elisabeth, 22. August 1941

22.8.41

Liebes Lieschen

Deinen Brief vom 7.8. heute mit Dank erhalten, der, den ich davor erhielt war vom 23. Juli. Habe dir durchschnittlich die Woche 2 mal geschrieben. Photo von dir habe ich erhalten und in meinem letzten Schreiben meinen Dank dafür zum Ausdruck gebracht. Dringend benötige ich folgende Gegenstände:
Waschlappen, Schuhkreme, Rasierpinsel, Schuhriemen, Zahnbürste, Zigarettenpapier, Ersatzteile für Hosenträger tunlichst Gummi, Kamm.

Bisher sind mir geklaut worden 2 Paar Strümpfe 1 Hemd 1 Frottehandtuch, 4 Taschentücher 1 Untergarnitur und 3 Waschlappen. Das Volk klaut hier was nicht Niet und Nagelfest ist, aus dem einfachen Grunde weil sie nichts haben. Kann dir aber eines sagen, dass mir nunmehr nichts mehr geklaut wird, habe dafür ein ganz besonderes Verfahren ausgeknobelt.

Gustav und Günter habe ich auch geschrieben und jedem Rm 5,-- geschickt, ausserdem Gustav noch ein Päckchen. Es ist mir sonderbar, dass du die Feldpostpäckchen mit Käse noch nicht erhalten hast, waren im ganzen ca. 4 Pfund. Schicke heute nochmals eines mit Schweizerkäse.

Unsere Marschstrasse habe ich dir auch immer mitgeteilt, sie geht von Zakopane nach Krakau von dort mit Standort immer für etliche nach Jareslau, Krakowitsch, Trembowla, Tarnopol Latitschow, Haysin Winniza, Latitschow, Umani, Kirowograd oder Kirowo. Von hier geht es in direkt östlicher Richtung an den Dnjeper in eine Stadt von ca 150000 Einwohner wie das Scheissnest eigentlich heisst kann ich im Augenblick nicht sagen, aber es fängt mit D. an. Eine Kneipe oder ein Hotel haben wir ausser in Jareslau und Lemberg noch nicht gesehen, und dabei gab es in Lemberg nur Limonade und nannte sich Offizierkasino.

Den dünnpfiff haben wir so ziemlich alle, jedoch kann ich mich noch nicht einmal beklagen, da es bei mir immer nur so dünn ist wie ein verunglückter Pudding. Die ersten Wanzen haben wir nun auch. Um die Sache kurtz zu machen haben wir alle Möbel herausgefenstert und in den Raum die Tapeten angesteckt. Ab dieser Zeit Ruhe. Je weiter wir nach Russland hinein kommen, desto trostloser wird die Geschichte. Kirowo hat 100000 Einwohner evtl auch mehr, aber auch hier Zustände wie in Negerdörfer. Was hier als Sehenswürdigkeit gilt ist die Wasserleitung und elektr. Licht. Der Arzt und ich wohne in dem Hause eines geflüchteten jüdischen Arztes. Der Kerl war Erzbolschewist und seine Alte politischer Kommissar. Wir fanden ein WC vor und eine Badeeinrichtung, jedoch hatte die Sache einen Haken, denn das WC hat keine Wasserspülung und die Wanne keinen Ablauf, sodann darf wegen der Enge des WC Ablaufes das Papier nicht in das Scheissbecken geworfen werden sondern wird in eine danebenstehende Kiste gelegt, welche schwarz voller Fliegen ist. Wie gesagt es ist eine Lust zu leben.

Sodann hat man eine neue Biesterei mit uns vor, wir sollen umgeschult und Grossbauern werden. Jeder bekommt 300 Morgen mit Gerät und Vieh. Ich habe bereits meinen verbindlichen Dank zum Ausdruck gebracht und mir recht baldigen Umzug nach dem Westen gewünscht, Müller I ist genau meiner Meinung und sind wir bemüht sobald als möglich versetzt zu werden.

Also nun Schluss, alles Gute mit Gruss an Dich Günter u. Oma

Tony