Gustav Roos an Bruder Günther, 2. Juni 1941

O. U., den 2. Juni 1941

Lieber Gundikar!

Zuerst einmal herzlichen Dank für Deinen Brief! und zugleich auch für „Das Schwert des Geistes“. Das Päckchen No. 7 erhielt ich gestern abend. Die Wurst kommt wie ein Geschenk des Himmels. Nun einmal zu Deinem Brief, zum Idealismus! Was ist ein Ideal? Ein Wunschbild! Gut! Aber da fehlt einiges: Ich mache einen Unterschied zwischen „der Mensch“ und „die Menschen“. Der Mensch ist das Ideal, ist vollkommen, ist eben das, was man auch Gott nennen kann; denn unter Gott stellen wir uns auch die höchste Steigerung aller guten Eigenschaften vor. Dem gegenüber stehen „die Menschen“; die Menschen sind von Natur aus Materialisten, sie kennen noch die Urtriebe, gleichen in vielem noch dem Tier. Aber, weiter weg vom Tier, „Mensch“ werden, das ist ideal. Erreichen werden wir es nie. Aber dem Ideal näherkommen, das sollen wir. Das ist auch der Inhalt des Christentums. Dir zum Trost: Ich bin auch noch etwas Idealist! Nun zu Deinem „Kältetod“. Ja, über dieses Problem sind wir noch nicht zum Abschluß gekommen. Wir sind uns noch nicht einig, ob

jede Kraft aus Wärme entsteht. Dann wäre der Fall ja klar.

Gerade erhielt ich noch Eure Zeitungssendungen vom 24. Mai. Vielen Dank! Jetzt habe ich vorläufig etwas zur geistigen Ernährung!

So, nun zum Hauptzweck dieses Briefes!

Lieber Jünni!
Zu Deinem Geburtstag am 4. wünsche ich Dir alles Gute!!!

Ich sende Dir die herzlichsten Grüße und hoffe, daß wir bald wieder einmal zusammenkommen!!

Also Gut Fraß und Ahoi!!
Gustav.