Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 20. August 1942

Russland, am 20.8.1942

Liebe Mutter!

Lange Zeit konnte ich nun nicht schreiben. Auf einen urplötzlichen Abmarschbefehl ging es aus unserer herrlichen Stellung an der Rollbahn weg. In Gewaltmärschen, die mich alten Tippelbruder zwar in Erstaunen setzen, aber nicht erschüttern konnten. Im Norden, der Bericht des O.K.W. brachte es ja öfter, war was los, und wo was los ist, darf unser Rgt. bekanntlich nicht fehlen. Am 16. kamen wir nach einem 70 km-Marsch in glühender Hitze in den Einsatz bei strömendem Regen. Und dann gings los, das schöne Einkesselungsspiel „Mal du, mal ich!“ Wir nahmen Brückenköpfe, bildeten welche, waren mal von Russen umschlossen, es waren tolle Tage! Dreckig wie Schweine lagen wir Tag und Nacht im Loch. Uns gegenüber lagen Gardetruppen der Roten aus der Garnison Wladiwostok. Die Kämpfe waren nicht leicht und

auch wir hatten erhebliche Verluste. Jetzt haben wir den Russen wieder zurückgeschlagen und haben Stellung, wie an der Rollbahn bezogen. Der Russe ist wieder ruhig, hat eingesehen, dass sein Beginnen zwecklos war, und hat seine Truppen zum Teil wieder abgeschoben. Wir Nachrichtler haben aber immer noch gewaltig Arbeit. Die Entfernungen sind hier (un)verhältnismäßig groß. Na, aber danach gibt es auch mal wieder ruhige Zeit.

Post bekommen haben wir natürlich die ganze Zeit nicht mehr. Gelegenheit Post abzugeben war auch nicht. Nun kann es heute Gott sei Dank wieder losgehen, mit Luftpost! Im übrigen geht es mir ausgezeichnet! Ich fühle mich sauwohl. Unsere Verpflegung war und ist wieder einzigartig, das kann man aber wohl auch in einem Einsatz erwarten. Wir sind in einer herrlichen Gegend, viel Wald, beinahe Urwald, mit Himbeeren, Pilzen, das Land ist

fruchtbar, daher wird die Suppe wieder dicker, Kartoffel und Zwiebel findet man wieder. Die Dörfer enthalten beachtliche Mengen an schönem Vieh und vor allem auch an Honig, Honig - !!

Jetzt hoffe ich, dass der Brief Dich bald erreicht! Man sagt zwar, die Post gehe immer noch nicht zurück, aber das will ich nicht hoffen. Ich kann mir ja denken, dass Du bestimmt wieder in großer Unruhe bist, wenn solange keine Post mehr gekommen ist. Schreib’ bitte auch sofort Vater und Günther, dass noch alles in Ordnung ist. Sobald ich mehr Zeit habe bekommen sie auch wieder Post. Nun muß ich wieder allmählich Schluss machen, denn es wird Zeit, dass ich mal was tue. Ich hoffe, dass es Dir und den Omas noch gut geht und Euch der Tommy mal etwas in Ruhe läßt. Von den Geschehnissen außerhalb unseres Blickfeldes werden

wir neuerdings pünktlich durch russische Flugblätter orientiert. Die Schweine wissen alles. In einem Flugblatt schrieb man vom Angriff in Köln. Alle größeren Häuser Gebäude, die ihm zum Opfer fielen standen mit Strasse und Hausnummer drin. Doll, nicht?!

Ja, und nun wünsche ich Dir, Vater, Günther und den Omas alles Gute und sende Euch die herzlichsten Grüße!

Heil und Sieg!
Gustav

40,- kommen im nächsten Brief!