Günther Roos an Vater Toni, 28. Februar 1945

Im Westen, 28.II.45

Lieber Vater!

Drei Worte sagen alles: Ich lebe noch! Mehr brauche ich nicht zu schreiben. Glück muß man als Soldat eben haben, und ich habe mehrmals riesiges Schwein gehabt. Nach 5 Tagen war unser Einsatz wieder zu Ende. Jetzt liegen wir beim Ferntroß zur Neu-Auffrischung. Arm wie eine Kirchenmaus kam ich hier an. Meine Klamotten zum größten Teil durch Artillerie-Volltreffer vernichtet. So habe ich jetzt doch wenigstens keine Sorgen mehr. Wenn sonst Stellungswechsel war, mußte ich immer zuerst meine Sachen zusammensuchen. Dann ging die Fragerei los: Wo ist mein Rucksack, wo meine Stiefel, mein Kochgeschirr, meine Packtasche u.s.w. Jetzt klemme ich mir einfach ein Kommisbrot unter den Arm und bin schon reisefertig. Tadellos, was? Dieser Zustand ist nur nicht von Dauer, denn so nach und nach bekomme ich schon wieder neue Sachen uns damit neue Sorgen.

Gestern nachmittag bin ich mal eben nach Hause gefahren. Als ich mit dem Krad vom Stadion aus in die Kurfürstenstraße braust, sah ich schon überall auf der Straße süße Schutthäufchen lieben. Un det fiel mir uff! Günther, sagte ich mir, Günther, hier stimmt was nicht. Bei uns selbst sah es aus wie im Hochsommer. Alle Fenster auf, sogar die Rahmen fehlten. Und dabei war es doch garnicht so warm. Als ich heraufkam, und das Durcheinander sah, mußte ich unwillkürlich einmal lachen. Mutter war natürlich, da Vollalarm war, im Bunker. Gerade hatte sie gegessen Der Nachtisch, in Gestalt eines Glases Pflaumen, stand noch auf dem Tisch. Sowas von Leichtsinn muß natürlich bestraft werden, und so habe ich zuerst einmal die Pflaumen verdrückt. Haben tadellos geschmeckt. So gestärkt und auf alles gefaßt habe ich Mutter aus dem Bunker geholt, wo sie im Kreise der Pißflinten von Brühl-Nord saß. Das Theater kannst

Du Dir ja vielleicht annähernd vorstellen. Sie glaubte mich im dicksten Einsatz und plötzlich stand ich vor ihr. Als erstes habe ich dann einmal Brühl besichtigt. Oma wohnt wieder auf der Uhlstraße, nachdem unsere Bude auch leicht lädiert ist. Der Postwagen ist als Wohn- und Schlafzimmer eingerichtet. Wohnen kann man dort noch tadellos.

Auf dem Markt traf ich Ohm Jupp.

Leider muß ich meine Urlaubsschilderung unterbrechen. Unser Troß macht gleich Stellungswechsel rückwärts. Gebe deshalb den Brief mit.

Alles Gute und

Heil und Sieg!
Günther